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Bistum Dresden-Meißen

Auf Akademieveranstaltung mehr Selbstbewußtsein gefordert

Politische Wende

Dresden (mh) - "Was wir heute als Ungerechtigkeit erfahren, das ist der Preis der friedlichen Revolution", antwortete der sächsische Staatsminister für Justiz, Steffen Heitmann (CDU), auf die Anfrage aus dem Publikum, dass heute mit Blick auf die DDR-Vergangenheit zwischen Opfern und Tätern eine "erhebliche Gerechtigkeitslücke" bestehe. "Rechtsstaatliche Prinzipien" seien eine Forderung von 1989 gewesen, sagte Heitmann. Diese Prinzipien führten aber dazu, dass die Täter von damals nicht so bestraft werden könnten, wie es mancher erwarte. Beispielsweise seien die Pläne der Staatssicherheit zur "Zersetzung einer Persönlichkeit" mit heutigem Strafrechte kaum zu fassen. Werde aber ein Urteil gefällt - wie jüngst gegen Egon Krenz und andere Politbüro-Mitglieder - werde parteiübergreifend nach Begnadigung geschrien, kritisierte der Minister

"Recht und Gerechtigkeit - ein Widerspruch?" hieß das Thema Heitmanns auf der Veranstaltung der Katholischen Akademie Dresden "Zehn Jahre danach - kritische Distanz zur DDR". Er zog dabei eine positive Bilanz: "Der Aufbau des Rechtsstaates in Ostdeutschland ist eine Erfolgsgeschichte." Und: "Die Erringung der Herrschaft des Rechtes war die Vollendung der Revolution. Die friedliche Revolution ist gelungen."

Kritischer fiel das Fazit von Pfarrer Frank Richter (Aue) aus. Er war 1989 Kaplan in Dresden und gehörte zu den Mitbegründern der "Gruppe der Zwanzig", die im Namen der Demonstranten mit den Staats-Vertretern verhandelten. Richter sprach zum Thema Erinnerung und stellte fest, dass viele ehemalige DDR-Bürger heute nicht in der Lage seien, ihre Geschichte zu erzählen. "Erinnerungsverweigerung aber macht krank." Mit Blick auf das Zusammenwachsen Deutschlands sagte Richter: "Wenn der Zweite Weltkrieg von ganz Deutschland ausgegangen ist und in seiner Folge der eine Teil die Folgen in weitaus größerem Maße tragen musste als der andere, dann ist der Ausgleich der Verhältnisse nicht so sehr eine Frage der Solidarität, sondern der historischen Gerechtigkeit." Richter kritisierte das mangelnde Selbstbewusstsein der Ostdeutschen. Dazu hätten sie keinen Grund, denn im Gegensatz zu den Westdeutschen hätten sie sich demokratische Verhältnisse selbst errungen

Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) unterstrich, dass es Anlass zur Freude gebe. "Wir Ostdeutschen brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen." Nicht nur, die Friedlichkeit der Revolution sondern auch die vielen Veränderungen der letzten Jahre und das viele Neue, was bis heute entstand, seien Leistungen der Ostdeutschen. Sie hätten auch das Ansehen, das Deutschland heute in der Welt genieße, wesentlich mitgeprägt

Auf ein "Randthema" - wie er selber sagte - ging Pfarrer Gerold Schneider (Jena), viele Jahre kirchlicher Bau- und Kunstbeauftragter, ein. Er sprach über die Künstler in der DDR zwischen Formendiktat der Ideologen und Rauswurf aus dem DDR-Künstlerverband. Die umstrittene Weimarer Ausstellung "Aufstieg und Fall der Moderne" habe die makabre Verwandtschaft vieler sozialistischer Kunstwerke mit der Nazikunst offenbart, sagte Schneider. Nicht angepasste Künstler hätten oft in Armut gelebt und unter der geis-tigen Isolation gelitten. Die Kirchen hätten damals versucht -etwa durch Künstlertagungen -dem entgegen zu steuern. Doch auch bei der Gestaltung von Kirchen sei der Umgang zwischen Künstlern, Gemeinden und kirchlichen Vorgesetzten nicht einfach gewesen. Als Beispiel nannte Schneider den Dresdner Künstler Friedrich Press, von dem der Satz stammt: "Den schönen Mann am Kreuz bekommt ihr von mir nicht."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 47 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.11.1999

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