Christsein in Differenz zur Welt
Theologische Fakultät
Feierliche Immatrikulation: Neun Studierende wurden an der Fakultät aufgenommen
Erfurt (ep) - Als "eine Zukunftsregion für den gesamtdeutschen Katholizismus" hat der Rektor der Theologischen Fakultät Erfurt, Andreas Wollbold, die neuen Bundesländer bezeichnet. Die Christen in der DDR hätten über 40 Jahre hinweg eine Differenz zwischen ihrem Christsein und der sie umgebenden Alltagswelt erlebt. In dieser Situation hätten sie ein Selbstverständnis entwickelt, dass sie als Christen bestehen und nach Möglichkeiten Ausschau halten ließ, ihr Christsein zu gestalten, so der Pastoraltheologe bei einem Festvortrag an-lässlich des Patronatsfestes der Hochschule am 24. November in Erfurt
Auf diese Erfahrungen, so Wollbold weiter, werde künftig angesichts "rasant schwindender Kirchenbindung" auch der rheinische, bayerische und westfälische Katholizismus bauen müssen. In der Diaspora könnten Lösungen auf Fragen der Seelsorge gefunden werden, die im volkskirchlich geprägten Milieu "noch nicht in den Blick gekommen sind". Eine Kirche in der Differenz zur Welt, so der Theologe, praktiziert "weder den Rückzug ins Ghetto" noch hat sie die Vorstellung, "eigentlich im Namen aller sprechen zu können". Eine entsprechende Pastoral "vermeidet auch nicht den Konflikt, den Streit um die Wahrheit, die Zumutung des Evangeliums, aber sie geht auch gelassen mit der Differenz als Normalfall um". Für eine solche Kirche ist es wichtig, "Wahlheimaten aufzubauen und Beteiligung zu fördern", etwa durch Familienkreise, Gemeindegruppen und geistliche Zentren. Dabei gewonnene Kräfte müssen "selbstbewusst und zugleich selbstlos in den Dienst der Mitbürger" gestellt werden
Zu dem Albertus-Magnus-Patronatsfest der Erfurter theologischen Hochschule, bei dem auch die Erhebung der Studieneinrichtung zur Theologischen Fakultät Erfurt am 22. Mai diesen Jahres gefeiert wurde, waren traditionell die Bischöfe und Weihbischöfe der Trägerdiözesen Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz, Magdeburg und Hamburg (Schwerin) nach Erfurt gekommen. Unter den zahlreichen Gästen waren auch Vertreter des Thüringer Wissenschaftsministeriums und der Thüringer Hochschulen
Der Erfurter Bischof Joachim Wanke sagte hinsichtlich der noch immer nicht vollzogenen vollen Integration der Theologischen Fakultät in die Erfurter Universität, von Seiten der vatikanischen Studienkongregation sei "derzeit deutlicher Rückenwind für eine Integration" zu spüren. Er hoffe, dass auch andere Verantwortliche in die gleiche Richtung denken. Die Verhandlungen zwischen dem Freistaat Thüringen und dem Vatikan befinden sich derzeit in der Sondierungsphase
Am Morgen hatte der Bischof bei einem Festgottesdienst im Dom die Versammelten aufgefordert: "Sagt den Menschen das Evangelium neu, so, dass es in seiner Herzmitte verstanden wird, und was alt scheint, als brandneu deutlich wird". "Angesichts der Kirchenkrise unserer Tage" sei es wichtig, "mit heißem Verlangen" an der Gottesfrage dran zu bleiben und "Gott verstehen zu wollen". Es gelte, "Gott immer größer sein zu lassen als die Lehre, als die Kirche und das, was wir in ihrem Namen sagen und tun können"
Während der Festakademie wurden neun Studenten im ers-ten Semester für den Diplomstudiengang Theologie immatrikuliert, darunter fünf Priesteramtskandidaten (zwei aus der Erzdiözese Berlin und je ein Priesteramtskandidat aus den Bistümern Görlitz, Magdeburg und Erfurt). Weitere neun Studenten im ersten Semester wurden durch Rektor Wollbold für den Lehramtsstudiengang immatrikuliert. Damit studieren derzeit 160 Studenten an der Theologischen Fakultät. Auch in diesem Jahr konnte die Diplomarbeit eines Studenten prämiert werden. Christine Dinter aus Lübben im Bistum Görlitz erhielt für ihre ausgezeichnete Arbeit zum Thema "Lessings durch den Erziehungsgedanken vermittelte Verhältnisbestimmung von Vernunft und Offenbarung und deren Rezeption in der DDR" den mit 1000 Mark dotierten Preis der Fakultät
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 05.12.1999