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Haltegriffe auch für Trittbrettfahrer

Kirchen zur Jahrtausendwende

Dresden - In ihrem "Gemeinsamen Wort zur Jahrtausendwende" orientieren die christlichen Kirchen in Deutschland auf weitere gegenseitige Annäherung und die gemeinsame Feier des Abendmahls als Ziel. Außerdem solle das Verstehen zwischen Christen und Juden vertieft werden, heißt es in dem am 27. November in Dresden veröffentlichten Wort. Frieden zwischen Angehörigen aller Religionen, zwischen Völkern und Kulturen solle ermöglicht und Gottes Schöpfung bewahrt werden. Die Kirchen hofften ferner darauf, dass immer mehr Menschen das Evangelium als Quelle der Hoffnung erkennen

Das Evangelium müsse stärker als "Hoffnungsgut" begriffen werden, sagte der Erfurter Bischof und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), Joachim Wanke, bei der Vorstellung des Wortes. Das Evangelium sei nicht unterdrückende "Drohbotschaft", sondern "Frohbotschaft"

In dem gemeinsamen Wort rufen die Kirchen alle Menschen dazu auf, den Weg in die Zukunft als einen "Weg der Liebe und des Friedens mit Jesus Christus" zu gehen. "Wir teilen die Ängste vieler angesichts einer ungewissen Zukunft", heißt es darin. Jedoch vertrauten die christlichen Kirchen auf Gottes Hilfe und seine Liebe als Orientierung

Diese Worte seien als Einladung zu verstehen, die kommenden Jahrzehnte ohne Angst anzunehmen, sagte Bischof Wanke. Denn bei vielen nehme er gegenwärtig eine "pessimistische Grundhaltung" wahr

In dem zu Ende gehenden Jahrtausend sei viel Ausbeutung und Unterdrückung im Namen des Christentums geschehen, heißt es weiter. Christliche Kirchen hätten ihre "Verwurzelung in Gottes Verheißung für das jüdische Volk" verleugnet. "Juden ist von Christen unsagbar Schlimmes angetan worden, und damit ist auch das Bekenntnis zu dem einen Gott, der uns verbindet, verleugnet worden."

Die ACK wolle sich künftig stärker dem Thema einer ökumenisch gestalteten Mission und Evangelisation zuwenden, sagte Joachim Wanke. "In den Kirchen wächst das Bewusstsein: Wenn wir nicht auf andere Menschen zugehen, verlieren wir unsere Identität." Der christliche Glaube sei in der Gegenwart stumm geworden. "Die steinernen Zeugnisse stehen noch, aber sie sprechen nicht mehr." Die Kirchen sollten die Schwelle zum Zugang niedrig halten und sich in nichtchristliche Bereiche begeben. "Wir sollten auch die Trittbrettfahrer mitnehmen und ihnen Haltegriffe bieten." Dies aber könne den Kirchen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern nur im Miteinander gelingen

Gegen die weit verbreitete Fremdenfeindlichkeit in Deutschland müssten die Kirchen "mentalitätsmäßig" auf die Menschen einwirken, sagte Wanke weiter. Die Bundesrepublik müsse sich öffnen. "Wir können Deutschland nicht auf Dauer zur Festung machen."

Die evangelische Pfarrerin und Geschäftsführerin der ACK, Bärbel Wartenberg-Potter (Frankfurt/Main) sagte, die Politik müsse Regelungen für die Einwanderung schaffen. "Wir als Kirchen müssen der Bevölkerung helfen zu verstehen, dass ohne Einwanderung unser sozialstaatliches System nicht aufrecht zu erhalten ist."

Die Vereinigungsleiterin der ACK, Irmgard Stanullo vom Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinschaften sagte, um Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken zu können, müsse das Bewusstsein an der Basis verändert werden. Deshalb habe die ACK gemeinsam mit den beiden Zentralräten der Juden und der Muslime das Projekt "Lade deine Nachbarn ein" initiiert. Dabei sollen Kontakte zwischen deutschen und Zuwanderer-Familien geknüpft werden. Migration sei auf die schlechten Lebensbedingungen in den ärmeren Ländern zurückzuführen, betonte Bärbel Wartenberg-Potter. Daher sei auch eine bessere Entwicklungspolitik nötig. Die ACK werde auch weiterhin einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder fordern.
Tomas Gärtner

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 48 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 05.12.1999

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