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Bistum Dresden-Meißen

100 Jahre Herz-Jesu-Kirche

Wurzen

Wurzen - In der Wurzener Herz-Jesu-Kirche drängen sich die Menschen. Die Sitzplätze reichen nicht. Freundlich schieben die Besucher einander von den hinteren auf die vorderen Stehplätze. Alle 1444 Katholiken der Gemeinde sind an diesem Sonntag zwar nicht zur Messe gekommen, aber mehr als sonst auf jeden Fall. Schließlich feiert eine Gemeinde nicht alle Tage den100. Geburtstag ihrer Kirche, und schließlich zelebriert nicht jeden Sonntag Bischof Joachim Reinelt die Messe. Zu festlicher Musik ziehen Ministranten, Pfarrer Bernhard Hahn und der Bischof in die Kirche ein; von der Empore schickt der Gemeinde-chor ein stimmgewaltiges "Jauchzet mit Schalle ..." auf die Köpfe der Gemeindeglieder herab. Das Jubiläum "100 Jahre Herz-Jesu-Kirche" ist akustisch spürbar. Sichtbar und hörbar wird es dann in den Fürbitten, die Gemeindemitglieder mit Symbolen illustrieren. Ein Stein für die Zeit der Planung und des Baus der Kirche 1898/99, eine Dornenkrone für die Kriegszeit, ein leerer Stuhl als Zeichen der Offenheit der Gemeinde. Kinder kleben kleine Füße an den Altar; eine junge Mutter bittet, dass Gott die Kinder auf ihrem Weg in die Zukunft begleitet. "Die Kinder haben unsere Zukunft in den Händen."

Nicht nur um das Jubiläum kreist die Predigt von Bischof Joachim Reinelt. Zu Beginn war es ihm ein Anliegen, die vergangenen 100 Jahre Weltgeschichte in die Höhen und Tiefen der Wurzener Gemeinde zu projizieren. Das Jahrhundert des Fortschritts, der Technik, der Kriege und der Ideologien, wie Reinelt es nennt; irgendwie hat es auch in Wurzen Spuren hinterlassen. Tränen seien geflossen, frohe Stunden habe es gegeben. "Vor 100 Jahren waren die Menschen optimistisch, dass das neue Jahrhundert ein bereicherndes wird. Und dann kam ein Jahrhundert, wie es sich schlimmer nicht gebärden konnte'', sagt Reinelt. Und dennoch sollten heute die Christen am Beginn des neuen Jahrhunderts darauf vertrauen, dass das Gute stärker als das Böse ist, so der Bischof. Seine Stimme wird kräftig, als er von der Notwendigkeit der Besinnung auf Christus spricht. Das ist das zentrale Thema in seiner Wurzener Predigt

"Es gibt heute Generationen, die nicht mehr wissen, wer Christus ist. So weit sind wir schon gekommen", beklagt Joachim Reinelt. Die Schuld daran gibt er auch den Medien, die "viel dummes Zeug" veröffentlichten und Wahrheiten vernebelten. "Wir müssen den Mut haben, auf Leute zuzugehen; Farbe zu bekennen und Lösungen anzubieten", betonte der Bischof. Am Ende des Gottesdiens-tes wünschte er den Wurzenern statt eines dicken Fells eher eine dünne Haut. Die mache sie zwar verletzlicher, aber dafür könnten sie die alltäglichen Berührungen Gottes spüren. "Diese sind ganz sanft. Wie, wenn man an einen Weidezaun fasst, um zu sehen, ob Strom drauf ist." Wie sich Berührungen von Mensch zu Mensch anfühlen, erfuhren die Wurzener nach dem Gottesdienst im Pfarrhaus - im Trubel am kalten Buffet. Markus Tichy

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.12.1999

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