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Aus der Region

Gäste im Stall

Adventskalender (IV)

"Wegen Überfüllung geschlossen." Seit Tagen prangte das Schild an der Herberge "Zur goldenen Amphore" in Betlehem und es war kein Ende des bunten Gewimmels abzusehen. Tausende Menschen zogen mit ihren Kindern durch die Stadt, suchten Obdach, ein Mahl, gefüllte Gläser voller Limonade oder süßen Weins ... Nicht alle blieben friedlich. "Lass uns endlich rein, sonst könnt ihr was erleben! Wir haben Durst!", schallte es von der Straße herauf und ein Stein flog hinterher. Aus dem Fenster schallt es zurück: "Ich habe es euch doch schon gesagt, es ist einfach kein Platz und auch kein Schluck Wein mehr da". Schon flog ein Eimer Wasser klatschend auf die Fluchenden, der die Hitzköpfe abkühlen sollte. Mit Erfolg: Diese lachten und zogen die Straße weiter

Rebekka, die Wirtin, war verzweifelt, es gab keinen Moment der Ruhe mehr und die Stimmung wurde von Tag zu Tag aggressiver. "Wo nur Lucius blieb", dachte sie. "Immer ist er nicht da, wenn ich ihn brauche", brummte sie. Doch böse sein, nein, das konnte sie dem Lucius nicht. Zu sehr liebten sie sich, waren sich in all den Jahren immer vertrauter geworden. Dabei kam Lucius vor vielen Jahren als schwertschwingender Eroberer ins Land. Lucius, der starke römische Legionär. Erobert hat er freilich nur eines, und das ist für ihn das Wichtigste auf der Welt, das Herz von Rebekka. Alt sind sie mit den Jahren geworden. Die Herberge ging mehr schlecht als recht. Und nun dieses Chaos in ganz Betlehem. Müde gähnend ging Rebekka in die Küche, um das Abendessen herzurichten. Aus der Schankstube klang Lärm. Überall lagen Leute, viele übernachteten in den Gängen, schliefen einfach so am Tisch ein

Endlich hörte Rebekka von draußen das Getrappel der Esel und das Poltern eines Wagens. Sie kannte dieses Geräusch: Lucius kam. Schnell deckte Rebekka den Tisch, sie freute sich auf das gemeinsame Mahl. Doch wieder verging einige Zeit. "Wo er nur bleibt?", dachte die Frau und sieht etwas zweifelnd auf den Hof. "Ach", murmelt Rebekka, "schon wieder Fremde! Auch das noch! Er wird sie schon wegschicken."

Nach einer Weile kommt Lucius, umarmt seine Frau gibt ihr einen dicken Kuss und lässt sich schwer auf den Tisch fallen. So schwer, dass das Holz unter seiner Last ächzend knirscht. "Übrigens", so sagt Lucius, "nicht dass du dich wunderst, aber da draußen waren eine Frau und ein Mann aus Nazaret. Da die Frau schwanger war, wollte ich sie nicht fortschicken und da habe ich ihnen unseren Stall als Nachtquartier angeboten"

Holger Jakobi

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 50 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.12.1999

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