Mit Soldaten im Gespräch
Weihbischof
Mühlhausen - Zu DDR-Zeiten schaffte es der Erfurter Weihbischof immer wieder, als Normalbürger Hans-Reinhard Koch in die Kasernen der Nationalen Volksarmee zu kommen. Seine Besuche galten Bausoldaten, die den Dienst an der Waffe verweigert hatten. Als kleine Geschenke hatte er oft Exemplare des "Tag des Herrn" dabei. Sein Besuch am 6. Dezember bei Soldaten der Bundeswehr in Mühlhausen hatte aber einen anderen Grund: Der Weihbischof wollte sich mit Offizieren des Beobachtungsartilleriebataillons 131 in der Görmar-Kaserne zu einem Informationsgespräch treffen
Zusammen mit dem Mühlhäuser Stadtdechanten Gregor Arndt stand er um 14 Uhr vor dem Kasernentor und stellte erst einmal fest, dass die Sicherheitskontrollen bei der Bundeswehr recht streng sind. Nach telefonischem Rückruf wurden Koch und sein Begleiter von Bataillonskommandeur Oberstleutnant Karl Heigl empfangen, der den Gäs-ten angefangen von der neu gebauten Kantine über die Unterkünfte bis hin zu einem Simulationsschießstand zunächst die Kasernenanlage zeigte. Im Anschluss daran fand ein Gespräch mit zwölf Offizieren statt, bei dem es um deren Arbeit, die Bedeutung der Bundeswehr und die Rolle der Kirche ging
Weihbischof Koch dankte für die Möglichkeit dieses Kontakts. Solche Gespräche seien zu DDR-Zeiten undenkbar gewesen. Damals wären Bausoldaten aus der Erfurter Steiger-Kaserne abends heimlich zu ihm ins Haus gekommen, um miteinander zu essen, vor allem aber zu reden. Solche Anlaufstellen seien damals wichtig gewesen, so Koch. Heute sei das alles einfacher
Vor allem müsse man sehen, dass sich so mancher der Soldaten in der NVA nie mit dieser Armee identifizieren konnten, weil sie nicht demokratisch geprägt war. "Man muss den jungen Leuten klar machen, dass NVA und Bundeswehr unterschiedlich sind", so Koch. Der Kontakt zu den Militärpfarrern, in Mühlhausen sind das Markus Ramisch und Dieter Niemann, mache es jedem Soldaten möglich, über ihre Probleme offen zu sprechen. Der katholische Standortpfarrer Markus Ramisch berichtete von der Akzeptanz des lebenskundlichen Unterrichtes bei den Soldaten. Anders sah dies einer der Offiziere: Je weiter man in den Osten Deutschlands komme, um so geringer sei die Rolle und Bedeutung der Militärgeistlichen. Es seien meist ganz weltliche Probleme, mit denen die jungen Männer zu ihm kämen, so Markus Ramisch. Viele würden zum Bund gehen, ohne nachzudenken, ließen sich statt dessen treiben und wollten, kaum dass sie dabei sind, schon wieder weg, so Ramisch. Auch bei solchen Problemen versuche er zu helfen. Viele der jungen Männer hätten erst dann Kontakt mit der Kirche, wenn sie während ihres Wehrdienstes den Pfarrer kennenlernten. Bataillonskommdeur Heigl betonte die gute Zusammenarbeit mit den Militärseelsorgern. "Wir fühlen uns gut betreut", so Heigl
Stadtdechant Gregor Arndt bezeichnete das Engagement der jungen Männer, egal ob sie Wehrdienst oder Zivildienst leis-teten, als solidarischen Dienst. Für ihn sei der Besuch in der Mühlhäuser Nachbarschaft wichtig, um Kontakt zu Mitbürgern der Stadt aufzunehmen. Weihbischof Koch unterstrich die Notwendigkeit dieses Bemühens. 60 Jahre habe hier menschliche Verödung geherrscht. Dieser gelte es etwas entgegenzusetzen, so Koch. Kirche wie Bundeswehr stellten sich in der Begegnung mit jungen Menschen einer enormen Herausforderung
Von den 800 Soldaten des Standortes Mühlhausen waren schon über 50 im Einsatz auf dem Balkan. Einer der Gesprächsteilnehmer, Hauptmann Herbert Peters, war gerade aus Tetovo in Mazedonien zurückgekehrt. Seinem Bericht über den dortigen Einsatz der Soldaten hörte Koch aufmerksam zu. Am Ende des Gesprächs sagte der Weihbischof zu den Offizieren: "Ich weiß jetzt ein bisschen mehr und wünsche mir, dass die jungen Menschen während der Zeit bei Ihnen auch etwas für das Leben mitnehmen."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.12.1999