Wort zur Weihnacht
Bischof Müller
Das große Jubiläum des Jahres 2000 steht unmittelbar vor der Tür. Am Christfest beim mitternächtlichen Gottesdienst in der Peterskirche wird der Papst mit einem eindrucksvollen Ritus das Heilige Jahr eröffnen. Unter feierlichen Gesängen werden Bauleute das mächtige Tor der "Heiligen Pforte" aus seinen Verankerungen lösen und zu Boden senken. So wird der Weg frei für die vielen Menschen aus aller Welt, die das zentrale Heiligtum der katholischen Christenheit als Pilger besuchen werden, um die Segnung der Kirche zum Jubeljahr zum empfangen. Ist dies nicht ein schönes Symbol für die Kirche selbst, die sich nach dem Auftrag ihres göttlichen Meisters den Menschen nicht verschließen darf, sondern für alle offen ist, aus welcher Lebenslage sie auch aufgebrochen sind: aus Armut oder Wohlstand, aus Kummer oder Freude, mit Schuld belastet oder mit Gott versöhnt. Die Kirche lädt ein und führt zu Christus, der die Menschen ruft: "Kommt alle zu mir ...!"
"Die Kirche, offen für alle Menschen" - ein schönes Motto für das Millennium! Von dieser Haltung, für die die geöffnete "Heilige Pforte" ein sprechendes Zeichen ist, können wir lernen, auch unser Lebenshaus zu öffnen, wenn Mitmenschen mit ihren Nöten und Sorgen bei uns anklopfen. Sie kommen ja nicht allein; mit ihnen tritt der Herr bei uns ein. Halten wir dafür auch die Schlüssel bereit!
In einem Weihnachtsbrief hat der verstorbene Bischof Klaus Hemmerle diesen Bildvergleich vom Schlüssel sehr einprägsam entfaltet:
"Ich wünsche uns allen vier Schlüssel:
Einen Schlüssel für die Hintertür -
der Herr kommt, wo und wann wir's nicht vermuten
Er kommt in denen, die sich nichts ans große Tor getrauen
Einen Schlüssel für die Tür nach innen -
der Herr ist inwendiger als unser Innerstes,
von dort betritt er das Haus unseres Lebens
Einen Schlüssel für die Verbindungstür,
die zutapezierte, zugemauerte nach nebenan -
im Allernächsten, welcher der Allerfremdeste ist,
klopft der Herr bei uns an
Einen Schlüssel für die Haustür, für das Portal -
dort hat man Jesus mit Maria und Josef abgewiesen
Wir wollen uns nicht genieren, ihn öffentlich einzulassen
in unser Leben, in unsere Welt
Werden wir sein Betlehem heute sein?"
Das wünscht sich und uns allen mit Segensgruß für das Weihnachtsfest und das ganze Heilige Jahr
Ihr Bischof Rudolf Müller
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.12.1999