Dringend gesucht: ein Schulleiter
Katholische Grundschule Oschersleben könnte öffnen, aber: es fehlt Personal
Oschersleben (mh) - Es gibt genügend Kinder und engagierte Eltern, ein Gebäude steht zur Verfügung, die Finanzierung ist gesichert und das pädagogische Konzept steht. Dennoch: Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass in Oschersleben eine katholische Grundschule ihre Türen öffnen kann, ist auch nach langer Suche noch nicht erfüllt: Es fehlen geeignete Lehrkräfte, vor allem eine Schulleiterin oder ein Schulleiter. Eigentlich, so hatte es sich die Elterninitiative gewünscht, sollte die Schule schon zu Beginn dieses Schuljahres ihren Betrieb aufnehmen. Nun ist die Eröffnung ins nächste Jahr verschoben. Doch ob sich das Personalproblem bis dahin löst, ist ungewiss.
Die Idee einer katholischen Grundschule in Oschersleben ist ein reichliches Jahr alt. Auslöser waren zwei Dinge, berichten Thomas Lipski und Matthias Wehling, die zur Elterninitiative gehören. Äußerer Anstoß war die Rückgabe eines alten Schulgebäudes direkt neben der katholischen Kirche an das Bistum. Bis zum Verbot durch die Nazis war hier schon einmal eine katholische Schule untergebracht. Wichtiger war aber der Wunsch vieler Eltern nach einer Alternative in der gegenwärtigen Schullandschaft, sagt Matthias Wehling. Hier spielen auch die Erfahrungen eine Rolle, die die Eltern mit dem katholischen Kindergarten in der Stadt gemacht haben. Warum sollte das, was dort in der Erziehung grundgelegt wurde, nicht in einer Grundschule fortgesetzt werden?
Wehling: "Wir haben dann die Idee öffentlich gemacht und interessierte Leute gesucht." Entstanden ist nicht nur die Elterninitiative, sondern auch eine breite Akzeptanz quer durch die Bevölkerung, auch wenn es gelegentlich einmal kritische Stimmen über die "große Dominanz der katholischen Kirche" gebe.
Die Trägerschaft über die Schule will das Bistum Magdeburg übernehmen. Das war zwar nicht von Anfang an geplant, aber Kontakte zu Bischof Leo Nowak und zur Schulabteilung des Ordinariates haben diesen Weg geebnet. "Das Bistum hat unserer Idee von Anfang an sehr offen gegenübergestanden", sagt Matthias Wehling. Die Finanzierungszusage des Bistums und das vorgeschlagene pädagogische Konzept überzeugten die Oscherslebener genauso wie ihre Begeisterung die Bistumsleitung angesteckt hat.
Dietmar Gotzhein, Leiter der Schulabteilung, ist vom Engagement der Eltern fasziniert. Das Bistum hat zurzeit die Trägerschaft für drei Gymnasien und zwei Grundschulen in den größeren Städten. "Die Initiative aus Oschersleben ermöglicht es uns jetzt, auch ins flache Land zu gehen", sagt Gotzhein. Das Bistum will mit seinen Grundschulen den jungen Leuten Mut machen zu Ehe, Familie und Kindern "und auch dazu, in ihrer Heimat Sachsen-Anhalt zu bleiben". Schulen sind für Gotzhein ein Teil des pastoralen Auftrags der Kirche: "Jedes Kind, auch das konfessionslose hat das Recht, etwas von Gott, Glauben und Religion zu wissen." Grundschulen seien dabei besonders wichtig, denn "bis spätestens zum Ende des zehnten Lebensjahres ist die Wertorientierung eines Kindes abgeschlossen".
Gerade diese Wertorientierung liegt den Oscherslebener Eltern besonders am Herzen. Entsprechend hoch sind ihre Erwartungen an eine schulische Alternative: selbstständiges Lernen lernen, eine Wertevermittlung gekoppelt mit dem christlichen Grundgedanken, keine Ellenbogen- und keine Klassengesellschaft in der Schule, Wissensvermittlung nach den Fähigkeiten des Einzelnen -das sind einige Stichworte, die Doreen Steinke, Gabi Heine und Kristin Hohmann, die ebenfalls zur Elterninitiative gehören, als Wünsche an die Schule nennen. Das pädagogische Konzept, das das Bistum vorgeschlagen hat, entspricht dabei ihren Vorstellungen. Für dieses Konzept steht der so genannte Marchtaler Plan. Entwickelt im Bistum Rottenburg-Stuttgart und seit 16 Jahren praktiziert, nimmt er die Ideen der italienischen Pädagogin Maria Montessori und ihren Leitgedanken für die Erziehung von Kindern - "Hilf mir, es selbst zu tun!" - auf. Als wichtige Elemente für den konkreten Schulalltag nennt Dietmar Gotzhein: Ein vernetzter Unterricht statt der herkömmlichen Gliederung in verschiedene Fächer, freie Stillarbeit, die die Selbstständigkeit des Kindes stärkt, und ein Morgenkreis am Montag und ein Abschlusskreis am Freitag, die der Woche den Rahmen geben.
Obwohl die Schule vom christlichen Grundgedanken geprägt sein soll und - entsprechend einer Regelung in Sachsen-Anhalt - die Hälfte der Kinder katholisch sein muss, soll die Schule keine katholische Eliteschule werden. "Wir wollen, dass die Schule auch für evangelische und ungetaufte Kinder so offen wie möglich ist", sagt Matthias Wehling. Das entspricht ganz dem Anliegen von Bischof Nowak, der immer wieder betont: Katholische Schulen sind für alle Kinder da. Elite wird es auch in einer zweiten Hinsicht nicht geben: Das Schulgeld von 90 Mark im Monat wird sozial gestaffelt.
Noch sind die Oscherslebener Eltern zuversichtlich, dass ihre Grundschule zum nächsten Schuljahr mit einer ersten Klasse starten kann. Matthias Wehling: "Wir hoffen sehr, dass es klappt. Und ich bin überzeugt, dass es auch die entsprechenden Lehrkräfte gibt. Wir müssen unsere Informationen nur an die richtige Stelle bringen." Auch Dietmar Gotzhein hofft - trotz aller Schwierigkeiten: Im Osten gibt es nur wenige katholische Lehrer und "die Zeiten, als die Westlehrer kamen, sind vorbei. Der Verdienst ist im Osten geringer, es fehlt die Verbeamtung und Sachsen-Anhalt hat das negative Image der ,roten Laterne' in Deutschland." Ein paar Kontakte hat er noch. Bis zum Beginn der Winterferien soll eine Entscheidung fallen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 13.12.2001