Den Menschen Mut auf Erden
Bischof Leo Nowak zum Weihnachtsfest
Wenn ich mich in diesen Tagen auf dem Weihnachtsmarkt umschaue oder in den geschmückten Geschäften, wenn ich die weihnachtlichen Lieder aus allen möglichen Lautsprechern hervorquellen höre, werde ich nachdenklich. Man könnte meinen, aus dem Weihnachtsevangelium sei eine nur noch nette Weihnachtsgeschichte geworden, eine Art Märchengeschichte, die man Kindern gern erzählt
Das wäre ja auch gar nicht so schlimm, wenn dadurch die Geschichte nicht ihres eigentlichen Inhaltes beraubt würde. Die Weihnachtsgeschichte, wenn diese denn überhaupt bekannt ist, passt nämlich vorzüglich in unsere Vorstellung von Weihnachten als liebliche Idylle mit Weihnachtsmann und Glockenspiel, mit Lametta und Tannengrün. Uns wird erzählt, wie Maria hochschwanger mit Josef unterwegs ist. Und weil sie keine Herberge finden, wird Jesus in einem Stall geboren und in eine Krippe gelegt. Und Ochs und Esel schauen zu und die Hirten kommen und bringen etwas Käse und ein kleines Lämmlein, das sie dem Kind zu Füßen legen. Die Engel am Himmel singen und musizieren
Eine Geschichte, die zu Herzen geht, aber eben am Kern des Ganzen vorbei. Denn diese Geschichte will "Evangelium" sein, "Frohe Botschaft" von Jesus Christus. Deshalb verkündigt der Engel: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren. Er ist Christus, der Herr!
Deshalb die Frage, ob wir das Evangelium von Weihnachten hören wollen oder nur eine Geschichte von Weihnachten. Wollen wir die Botschaft auspacken, die in dieser Geschichte verpackt ist, weil die schöne Verpackung nicht das Wichtigste ist, sondern das kostbare Geschenk, das drinnen ist?
Versuchen wir also, das Geschenk auszupacken. Da sind zunächst die Hirten auf dem Feld. In der Zeit damals sind das die Ärmsten der Armen. Sie haben einen harten Job. Mit ihrem eigenen Leben mussten sie oftmals die Schafe vor den wilden Tieren schützen. Mancher vor ihnen ist dabei draufgegangen. Sie führen ein karges und armseliges Leben. Gerade deshalb sind sie offen für die unerhörte Botschaft, dass der Retter geboren ist. Arme Leute sind auf fremde Hilfe angewiesen. Sie glauben eher der Frohen Botschaft. Mit den Besitzenden und Reichen hat es Jesus immer schwerer gehabt
Aber es geht nicht nur um äußere Armut. Es gibt eine große innere Armut. Nicht wenige empfinden das Leben als sinn-los. Sie sind die Orientierung losgeworden. Sie sind orientierungs-los. Manche haben keine Perspektive, sie sind perspektiv-los
Der Glaube an Gott, zu dem Jesus auffordert, gibt Lebensmut und Kraft zum Guten. Gott suchen mit ganzem Herzen und ihn finden, das macht den Menschen reich
Da sind aber auch die Engel. Wichtig ist, was sie sagen: "Ehre sei Gott und Friede den Menschen!", ein sehr deutliches und überzeugendes Programm. Beides gehört zusammen. Ein Mensch, der Gott anerkennt, ihm die Ehre gibt, das heißt: ihn akzeptiert, der wird auch zum Frieden der Welt beitragen. Wenn nicht, dann liegt das an seinem falschen Gottesbild. Dann dient der Mensch nicht wirklich Gott, sondern macht sich ein falsches Bild von ihm
Und wenn der Engel dann schließlich auf Christus verweist und ihn den Herrn und Retter nennt, dann will er uns sagen, dass wir ihm glauben und folgen sollen in allem, was im Evangelium selbst über ihn gesagt und berichtet wird
Das Weihnachtsevangelium hat nur eine einzige Absicht. Wer dieses Evangelium hört, der soll zum Glauben gelangen an den, der als Retter der Welt für alle Menschen geboren ist. Unsere Weihnachtsgeschichte ist Weihnachtsevangelium von Jesus Christus. Verzagte fassen Mut. Verzweifelte schöpfen Hoffnung und Arme werden beschenkt mit dem Heil, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben
Ich bin überzeugt: Dieses Evangelium ist aufgeschrieben für uns, damit Weihnachten nicht nur eine erbauliche Geschichte bleibt, sondern Frohe Botschaft, die uns erreicht. Denn ohne Hoffnung kann kein Mensch wirklich leben
In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum erstenmal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.
Lukas 2,1-14
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.12.1999