Buntes Bild und ernster Hintergrund
Sternsinger
Leipzig (tdh / kna) -Turban oder Krone auf dem Kopf, bekleidet mit einem bunten Gewand und einen Stern in der Hand - so sind sie in den Tagen um den Jahreswechsel unterwegs: die Sternsinger. Auch im Bistum Erfurt gehen in diesen Tagen hunderte Mädchen und Jungen von Haustür zu Haustür, bringen gute Wünsche für das neue Jahr und bitten um eine Spende für ihre Altersgenossen in der so genannten Dritten Welt. "Jesus Christus - Brot des Lebens, damit Kinder heute leben können" hieß das Leitwort der diesjährigen Aktion.
Die zentrale Eröffnung fand im Aachener Dom statt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, dankte den dort versammelten rund 2000 jungen Leuten, die stellvertretend für etwa eine halbe Million Mitstreiter in ganz Deutschland gekommen waren, für ihren Mut, an fremde Türen zu klopfen und um Geldspenden für Not leidende Kinder zu bitten. Rund 200 Millionen Kinder weltweit sind unterernährt.
Nicht nur aus den deutschen Bistümern, sondern auch aus Belgien und den Niederlanden waren offizielle Delegationen nach Aachen gekommen. Sie fanden im Achteck des Domes Platz, der unter Karl dem Großen vor 1200 Jahren vollendeten Pfalzkapelle. Dieses Jubiläum ist einer der Gründe, warum die bundesweite Aussendungsfeier diesmal in Aachen stattfand. Außerdem wurden hier 30 Könige gekrönt.
Die mittelalterlichen Herrscher sind indes kaum als Vorgänger der modernen Sternsinger zu werten. Die Ursprünge der "kleinen" Könige gehen vielmehr ins Jahr 1846 zurück, als in Aachen das Kindermissionswerk gegründet wurde. 1959 führte es erstmals die Aktion Dreikönigssingen durch, seit 1961 gemeinsam mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ).
Mit ein wenig Wehmut blickte Prälat Arnold Poll, der Präsident des Kindermissionswerks, auf die Aussendungsfeier. Schließlich war sie die letzte unter seiner Leitung. Nicht ohne Stolz kann Poll darauf verweisen, dass allein im vorigen Jahr durch die Sternsinger fast 55,5 Millionen Mark für 2700 Projekte aufgebracht wurden, mit denen Kindern in 115 Ländern geholfen werden konnte.
Die "kleinen" Könige hatten aus ihren Heimatbistümern typische Brotsorten mitgebracht, die gesegnet und anschließend in einer Aachener Armenküche verteilt wurden. Aber die Kinder bekamen auch etwas mit auf den Weg. Eine Frau aus der Nähe von Ulm an der Donau hatte 30 mit bunten Steinen geschmückte Kronen hergestellt. Jede Delegationen durfte eine mitnehmen. Die 30. Krone war für einen indischen Priester bestimmt, der das Dreikönigssingen in seiner Heimat einführen will.
Bereits vor Weihnachten hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder sein Wort eingelöst: Wie im vorigen Jahr in Bonn angekündigt, hatte er die Sternsinger in die Hauptstadt Berlin eingeladen und empfing sie dort im vorläufigen Bundeskanzleramt. Und wohl zum ersten Mal in der Geschichte des früheren DDR-Staatsratsgebäudes erklangen dort die Lieder der als "Kaspar, Melchior und Balthasar" verkleideten Jungen und Mädchen. Mehr als 100 waren aus allen 27 deutschen Bistümern und aus Belgien gekommen, um das Lied vom "Stern über Betlehem" anzustimmen. Die Sternsinger aus Ilmenau vertraten das Bistum Erfurt.
Der Kanzler genoss den Besuch der kleinen Gäste. Locker an sein Rednerpult gelehnt, hörte er ihnen aufmerksam zu. Und er ließ sich nicht lumpen: Die Geldscheine, die er den Sternsingern mit auf den Weg geben wollte, passten nur mühsam durch den kleinen Schlitz ihrer Schatulle. Und er fand lobende Worte: Die Aktion trage dazu bei, dass Millionen Hunger leidenden Kindern geholfen werde. Zugleich führe sie auch Kinder in Europa zusammen, da auch in Österreich, der Schweiz und in Luxemburg Sternsinger unterwegs seien. Übrigens fand eine Sternsinger-Aktion in diesem Jahr zum ersten Mal auch in Tschechien statt.
Prälat Arnold Poll nutzte die Kanzlereinladung für mahnende Worte: Es gehe nicht an, dass diejenigen, die Panzer und Kanonen produzierten, besser bezahlt würden als jene, die Kinder erzögen und damit unsere Zukunft sicherten. Schröder versprach, den Besuch der Sternsinger auch als Mahnung zu sehen, mehr für die Kinder zu tun.
Die Jungen und Mädchen sorgten dafür, dass er sich beim Gang in das Kanzleramt an ihre Botschaft erinnert. An die Wand neben den Eingang zum Kabinettssaal schrieben sie den Segenswunsch "C + M + B 2000" - "Christus mansionem benedicat - Christus segne dieses Haus".

Sternsinger in Heiligenstadt

Sternsinger in Neuhausen

Sternsinger in Halberstadt
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.01.2000