Vom "Frühprediger" zum Bischof
Bischof Forwerk
Am 8. Januar jährte sich zum 125. Mal der Todestag von Bischof Ludwig Forwerk, einem Mann, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den herausragenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Sachsen gehört hat. Bischof Forwerk übte von 1854 bis 1875 zwei Ämter in Personalunion aus: Er war Apostolischer Vikar der Sächsischen Erblande, welche das mittlere und westliche Sachsen umfassten, und gleichzeitig Apostolischer Präfekt der Lausitz und Dekan des Bautzener Domkapitels. Als Apostolischer Vikar war er ab 1874 auch für die Katholiken im Fürstentum Reuß-Ältere Linie zuständig.
Ludwig Forwerk wurde am 29. August 1816 als Sohn eines Kammerdieners in Dresden geboren. Seine Vorfahren stammten aus Österreich, sie waren mit der Erzherzogin Maria Josepha (1699 bis 1757) von Wien nach Dresden gekommen, als diese 1719 den sächsischen Prinzen und späteren Kurfürsten Friedrich August II. (1696/1733 bis 1763) geheiratet hatte.
Nachdem er acht Jahre das "Wendische Seminar St. Petri" in Prag besucht hatte, wurde Forwerk am 14. November 1839 zum Priester geweiht. Er wirkte zunächst als Kaplan an der Dresdner Hofkirche und anschließend an der Schlosskapelle in Hubertusburg. Nach Dresden zurückgekehrt, wurde er "Feiertags-Frühprediger" an der Hofkirche und arbeitete daneben als Katechet an der seit 1765 bestehenden Katholischen Hauptschule sowie an der 1828 eingerichteten Freischule. 1845 wurde er zum Hofkaplan berufen und zum geistlichen Erzieher der jüngeren Kinder des Prinzen und späteren Königs Johann (1801/1854 bis 1873).
Im Jahr 1854 trat Forwek die Nachfolge des am 5. Oktober 1853 verstorbenen Bischofs Joseph Dittrich (1794 bis 1853) an. Papst Pius IX ernannte den noch relativ jungen, aber talentierten und energischen Kleriker am 19. Juli 1854 zum Apostolischen Vikar der Sächsischen Erblande und zum Titularbischof von Leontopolis. Am 5. September 1854 wurde er zum Mitglied des Bautzener Domkapitels gewählt und am Tag darauf zu dessen Dekan. Die Bischofsweihe erhielt er am 24. September 1854 im Prager Veitsdom, sie wurde ihm vom Prager Fürst-Erzbischof Kardinal Friedrich Fürst von Schwarzenberg gespendet.
Noch vor seiner Weihe hatte der designierte Bischof eine ers-te feierliche Amtshandlung vorzunehmen - und dies aus einem sehr traurigen Anlass: Am 16. August 1854 wurde in der Dresdner Hofkirche König Friedrich August II. (1897/1836 bis 1854) beigesetzt, der eine Woche zuvor in Brennbüchel in Tirol durch einen Sturz aus dem Wagen verunglückte. In den folgenden Jahren gab es dann auch eine Reihe von erfreulichen Anlässen für bischöfliche Amtshandlungen. So konnte Forwerk am 30. November 1855 die St.-Franziskus-Xaverius-Kirche in der Dresdner Neustadt weihen, deren Bau noch sein Amtsvorgänger begonnen hatte. Es folgten weitere Kirchweihen in den Erblanden und in der Oberlausitz. 1870 hielt der Bischof in Löbau den ersten nachreformatorischen katholischen Gottesdienst, und 1873 erklärte er Kamenz und Zittau zu selbständigen Pfarreien - nicht zuletzt wegen der ständig zunehmenden Zahl der katholischen Christen. In den Jahren von 1855 bis 1875 erhöhte sich die Einwohnerzahl des Königreiches Sachsen von rund zwei Millionen auf 2,76 Millionen - die Zahl der Katholiken verdoppelte sich von 36582 (1855) auf 73349 (1875). Damit stieg der katholische Bevölkerungsanteil von 1,8 auf 2,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Mit dieser Entwicklung ging das Wachsen des katholischen Vereinslebens einher. So verbreitete sich der von Adolph Kolping gegründete Gesellenverein auch in Sachsen. Es kam zu folgenden Gründungen: 1854 in Dresden, 1861 in Leipzig, 1865 in Chemnitz und 1868 in Plauen. Adolph Kolping selbst besuchte mehrmals Dresden. Bischof Forwerk setzte sich 1858 bei den staatlichen Stellen auch für die Gründung eines regionalen Bonifatiusvereines ein, jedoch ohne Erfolg.
Auch wenn Forwerk nur in der Diaspora wirkte, so konnte er doch an den Beratungen des Ers-ten Vatikanischen Konzils teilnehmen, die für die ganze Weltkirche von Bedeutung waren. Er gehörte zu den über 700 Konzilsvätern, die sich vom 8. Dezember 1869 bis zum 18. Juli 1870 in Rom versammelten und hier unter anderem um die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit stritten. Wie die meisten deutschen und österreichischen Bischöfe stimmte er in der 85. Generalkongregation am 13. Juli 1870 gegen die Konstitution "Pastor aeternus" und verließ das Konzil noch vor der Schlussabstimmung, die am 18. Juli 1870 stattfand und bei der 533 Bischöfe für und nur zwei gegen das Unfehlbarkeitsdogma stimmten. Zurück in Sachsen unterwarf sich Forwerk schon bald der Konzilsentscheidung.
Nach dem Ersten Vatikanischen Konzil brach im Deutschen Reiche der sogenannte "Kulturkampf" aus, wobei die katholische Kirche besonders vom preußischen Staat heftig attackiert wurde. Es blieb Bischof Forwerk erspart, mitzuerleben, wie dieser Kampf 1876 durch das "Oberaufsichtsgesetz" auch auf Sachsen übergriff. Der Oberhirte der Sachsen und Sorben starb am 8. Januar 1875 und wurde drei Tage später in Anwesenheit des Prinzen und späteren Königs Georg (1832/1902 bis 1904) auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden beigesetzt.
Peter Bien/tdh
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 16.01.2000