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Auf zwei Minuten

Die Macht des Menschen

Pater Damian

Pater DamianAls vor ein paar Jahren bei einem Erdbeben in Japan angeblich erdbebensichere Häuser einstürzten, war das ein starker Schock für viele Menschen. Sie hatten gehofft, die neue Bautechnik könne den Naturgewalten widerstehen. In einem Gespräch über dieses Ereignis sagte damals eine fromme Christin: "Gott lässt seiner nicht spotten und zeigt den Menschen ihre Grenzen!" Solche und ähnliche Bemerkungen hört man hin und wieder bei Naturkatastrophen oder auch Flugzeugabstürzen. Ich frage mich: Was für ein eigenartiges Gottesbild steckt hinter solchen Aussagen? Muss der Mensch klein gehalten, in seine Grenzen gewiesen werden, damit Gott groß da steht? Wächst Gottes Ruhm und Ehre auf Kosten des Menschen? Bedroht die Macht des Menschen die Macht Gottes? Ist der Mensch etwa der Rivale Gottes?

Ein alter Mythos erzählt von Prometheus, der die Menschen schuf. Er wollte die Menschen glücklich und mächtig machen, doch die Götter wehrten es ihm. Sie waren weder klüger noch gerechter als er, doch sie blieben die Stärkeren. Prometheus wurde an den Kaukasus gefesselt, und der Adler, der Göttervogel, fraß an seiner Leber, dem Sitz des Verstandes.

Diese alte Erzählung sagt: Der Mensch, der mächtig werden will, ist der Gottheit nicht angenehm. Diese Auffassung widerspricht der biblischen und christlichen Lehre: Der Mensch - als Abbild Gottes geschaffen - soll Macht haben und auf der Erde in verantwortlicher Weise "herrschen". Wenn er durch den Fortschritt von Wissenschaft und Technik die Naturgewalten immer mehr in den Griff bekommt, ist das durchaus der Wille Gottes.

"Jeder Sieg des Menschen über die Natur ist ein Sieg Gottes, jede Niederlage des Menschen wäre eine Niederlage Gottes" (Diego Aenhoevel). Gottes Ehre ist der erlöste, der freie lebendige Mensch, der mächtig ist, also etwas machen kann

Pater Damian Meyer OP

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 5 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 30.01.2000

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