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Aus der Region

"Bekenntnisfrei" gibt es nicht

Jugendweihe

Bekenntnisfreie Jugendfeiern? - Dass ich nicht lache! Weltanschaulich neutrale Jugendweihen? - So ein Humbug! Die ganze Diskussion um Bekenntnisfreiheit und weltanschauliche Neutralität in Bezug auf Kinder- und Jugendarbeit ist unwahrhaftig und irreführend, denn wer so etwas fordert oder ins Gespräch bringt, muss doch wissen, dass es das gar nicht gibt: Bekenntnisfreiheit ebenso wie weltanschauliche Neutralität sind entweder eine Mogelpackung oder inhaltsleeres Larifari. Und Jugendliche brauchen heute wie für die Zukunft mehr denn je klar erkennbare und spürbare Identitäten, intellektuell wie emotional nachvollziehbare, orientierende und zur Auseinandersetzung provozierende Weltanschauungen und inhaltliche wie ethisch-moralische Profile. Zeigen uns Jugendliche nicht an allen Betonwänden und Häuserecken, dass sie das Einerlei satt haben?

Ich meine, wir Erwachsenen sind es den Heranwachsenden schuldig, dass sie sich an uns und unseren Anschauungen und Bekenntnissen (so wir sie denn haben) reiben, sich an ihnen stoßen, sich mit ihnen auseinandersetzen. Auch dadurch, dass sie sie nicht in Anspruch nehmen aus der Entscheidung heraus- bewusst oder unbewusst - dass das zum jetzigen Zeitpunkt nichts für sie sei.

Auf der anderen Seite liegt es natürlich mehr als nahe für uns als Kirchen, Wege zu den Jugendlichen zu suchen, die selbst den Weg zum christlichen Glauben nicht finden. Es ist schon eine permanente Anfechtung für uns, dass 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen vom Angebot des Evangeliums nicht erreicht werden.

Und zumindest in der deutschen evangelischen Kirche ist die Diskussion um Konfirmandenarbeit und Konfirmation wesentlich älter als die Zwangseinführung der atheistischen DDR-Jugendweihe sowie die Markteroberung der kommerziellen Jugendweihe-Dienstleistung im Nach-Wende-Osten.

Die Praxis der Konfirmandenarbeit stellt sich denn auch längst ganz vielfältig dar: Von Formen subjektorientierter Jugendarbeit mit zwölf bis 15-Jährigen bis zum klassischen, frontalen Konfirmandenunterricht ist alles zu finden, und das in der ganzen qualitativen Bandbreite von schlecht bis gut, von frustrierend für alle Beteiligten bis zu lebendigen Glauben weckendem Unterricht.

Wir kommen in der aktuellen Diskussion über die Frage, ob die konfessionelle Jugendarbeit und die Kirchen nicht auf dem Markt der Anbieter aktiv werden sollten, nicht darum herum, uns wieder einiger Grundfragen zu erinnern, anstatt in Aktionismus um "neue" Konzepte zu verfallen.

Diese Grundfragen sind meines Erachtens folgende:

1. Die Frage nach Konfirmation (und Jugendweihe) ist zuerst die Frage nach dem Platz Jugendlicher in unserer Gesellschaft, insbesondere aber in unseren Kirchen und Gemeinden. Welchen Raum haben sie? Wo kommen sie vor? Welche Ressourcen an Zeit, Personal, Geld, Raum stellen wir ihnen zur Verfügung, über die sie auch selbst bestimmen können? Welche Zielgruppen haben wir mit unseren gottesdienstlichen und anderen Feiern im Blick? Heutige Jugendliche auch?

2. Die Frage nach dem Zugang zur Altergruppe der potentiellen Jugendweihlinge ist eine Frage nach der Qualität der kirchlichen Jugendarbeit. Sind wir fantasievoll und einfühlsam genug, zu Kindern und Jugendlichen Beziehungen aufzubauen und ihnen gute, prägende Erfahrungen mit Jesus Christus zu ermöglichen? Sind wir bereit und fähig, wirklich teilzuhaben an der Lebenswelt von Jugendlichen, die auf der Suche nach Orientierung und Vergewisserung sind?

3. Wir als Evangelische sollten Abschied nehmen von dem quasisakramentalen Charakter der Konfirmation. Anstatt Unterrichtsinhalte und der Bezug zu Taufe und Abendmahl sollte der Aspekt des Segens in den Mittelpunkt gestellt werden. Segen als Ausdrucksform des Rückbezugs auf das Unverfügbare des Lebens im Prozess des Reifwerdens junger Menschen.

Nicht bekenntnisfrei, sondern tröstend und stärkend, Eltern und Jugendliche in ihren Reifeprozessen gleichermaßen, unabhängig ihrer kirchlichen Bindung. Aber erkennbar christlich. Dabei nicht vereinnahmend, sondern einladend.

Erfahrungen mit Gott sind immer auf Nachhaltigkeit angelegt, sind Erinnerungspotentiale sozusagen.

Wenn wir in kirchlicher Verantwortung "rituelle Dienstleistungen" anbieten wollen - und der Bedarf ist meines Erachtens da, müssen wir mehr wollen als den unverbindlichen Verkauf einer immateriellen Leistung für einen materiellen Gegenwert. Wir Christen haben es geschenkt bekommen, Orte des Heiligen, die Gegenwart Jesu Christi zu inszenieren. Menschen dem Segen Gottes, des ewigen und zugleich zeitlich-menschlichen, anzubefehlen. Weniger ist, wie gesagt, Mogelei oder Larifari. Und es wird uns nicht abgenommen.

Matthias Spenn,

Provinzialpfarrer für Kinder- und Jugendarbeit

der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Magdeburg

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 7 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.02.2000

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