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Aus der Region

Der Heilige Abend bietet viele Chancen

Christen versuchen, ihren Mitmenschen den Sinn von Weihnachten näher zu bringen

Pfarrer Hempel hat 300 Krippen ausgestellt

Erfurt / Leipzig / Schwarza / Hohenmölsen (mh) - Wenn am Heiligen Abend die Glocken zum Gottesdienst rufen, dann füllen sich auch im Osten Deutschlands die Kirchen wie an kaum einem anderen Tag im Jahr. Offensichtlich gehört auch für viele, die sonst nichts mehr mit dem Glauben zu tun haben, der Kirchenbesuch zu Weihnachten dazu. Für Pfarrgemeinden und Seelsorger eine Herausforderung: Wie damit umgehen? Katholische Christen in Erfurt, Leipzig, Schwarza und Hohenmölsen versuchen darauf eine Antwort zu geben.

Seit über zehn Jahren gibt es in Erfurt ein besonderes Angebot: Alle Bürger der Stadt sind am Heiligen Abend zu einem nächtlichen Weihnachtslob in den Dom eingeladen. Dompfarrer Dr. Reinhard Hauke berichtet, wie es dazu kam: "Seit vielen Jahrzehnten kommen die Erfurter am Heiligen Abend zum Dom." Dass sie in der Regel dann kamen, als die Gemeinde dort gerade ihre Christmette mit dem Bischof feierte, war für alle Beteiligten unbefriedigend. Hauke: "Die einen verstanden nicht das ungebührliche Verhalten der Nichtchristen im Gottesdienst und die anderen verstanden nicht die liturgische Feier der Christen."

Nachdem sich der Versuch eines Krippenspiel zu Beginn des Gottesdienstes als unzureichend erwiesen hatte, entstand die Idee, eine eigene Feier zu gestalten. Nach Rücksprache mit den Seelsorgern und dem Pfarrgemeinderat entschied Bischof Joachim Wanke 1988, die traditionelle Christmette in die benachbarte Severikirche zu verlegen und im Anschluss daran die Bürger der Stadt zu einer Feierstunde in den Dom einzuladen.

Bekannte christliche Weihnachtslieder, das Weihnachtsevangelium, meditative Musik und Stille, während die berühmte Erfurter Gloriosa läutet, sowie einfache Gebete nennt Pfarrer Hauke als Gestaltungselemente dieses Weihnachtslobes. Auch dem Bischof liegt diese Feier am Herzen. In einer für die Nichtchristen verständlichen Sprache versucht er ihnen - etwa mit Hilfe von Bildern aus der Alltagswelt - den christlichen Sinn von Weihnachten zu erschließen.

Das Weihnachtslob im Erfurter Dom ist inzwischen zur Institution geworden. Bis zu 2500 Besucher kommen dazu am Heiligen Abend auf den Domberg. "Waren es zu DDR-Zeiten vor allem Ausländer aus Vietnam und der Sowjetunion sowie Erfurter, die in ihrer Kinderzeit Beziehungen zur Kirche hatte, sind es heute vorrangig junge Erwachsene aus der Stadt", berichtet Pfarrer Hauke. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren. Viele von ihnen - weil in der DDR aufgewachsen - dürften kaum noch etwas von der ursprünglichen Bedeutung des Weihnachtsfestes wissen. Er hoffe, sagt Bischof Wanke, "dass das nächtliche Weihnachtslob für manche ein Anstoss ist, sich den verschütteten oder noch unbekannten Wahrheiten des christlichen Glaubens zu nähern".

Einen anderen Weg wollen Jesuitenpater Bernd Knüfer und sein Team von der Leipziger Kontaktstelle "Orientierung" gehen: Zum ersten Mal lädt er zu einer "Einfachen Christmette für Suchende und Zweifelnde" ein. "Unsere Zielgruppe sind diejenigen, die sich nicht so sehr von der üblichen prachtvollen Christmette in einer überfüllten Kirche angesprochen fühlen." Mit allen -"Christen und Nichtchristen, Suchenden und Zweifelnden" -, die am Heiligen Abend in den Raum der Stille in der Leipziger Innenstadt kommen, wird er einen Gottesdienst feiern mit Liedern, Instrumentalstücken, Gebeten und einer Ansprache. Es wird eine Eucharistiefeier sein. Knüfer: "Den Nichtchristen erkläre ich, was wir als Christen in der Eucharistie feiern, und sage ihnen, was sie mitmachen können und was nicht." Erfahrungen mit dieser Art von Gottesdienst hat Knüfer schon. Wie die Einladung aber am Heiligen Abend angenommen wird, weiß er noch nicht: "Es ist ein Experiment und wir werden sehen, was dabei heraus kommt."

Neu ist auch ein Angebot der katholischen Jugendarbeit in Schwarza: Besonders Jugendliche und junge Erwachsene, "die nicht wissen, was sie am Heiligen Abend machen sollen, die nach Gemeinschaft suchen, die eine Kirche nur an Weihnachten betreten und alle Interessierten, ob kirchennah oder kirchenfern", hat Jugendreferent Markus Könen eingeladen. Dabei ist der Gottesdienst der einzig feste Programmpunkt. Was dann beim anschließenden Fest unter dem Motto "Kommt, lasst diese Nacht nicht enden" passiert, will er der Gruppe überlassen.

Nicht nur für den Heiligen Abend selbst suchen die Kirchen nach Wegen, ihren nicht christlichen Mitmenschen das Weihnachtsfest zu erschließen. Ein Beispiel dafür ist Hohenmölsen. Eine Woche lang gab es hier im Pfarrhaus rund 300 Weihnachtskrippen zu bewundern. Fast alle gehören den Gemeindemitgliedern. Pfarrer Rudolf Hempel hat sie bei seinen zahlreichen Hausbesuchen während der Sternsingeraktion entdeckt und die Idee für die Ausstellung gehabt. "Die Schätze, die ich zu sehen bekommen habe, wollte und will ich unbedingt mehr Menschen zeigen." Die inzwischen fünfte Ausstellung ist dabei für ihn eine Chance zur Verkündigung: "Immer wieder kommen Erwachsene und Kinder, darunter viele Schulklassen, die mit Weihnachten nur den Weihnachtsmann verbinden." Anhand der Krippen kann er ihnen etwas vom christlichen Sinn des Festes erzählen. Und dabei hat er die Erfahrung gemacht, dass fast alle ganz anders fortgehen, als sie gekommen sind: "Viel froher!"

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 51 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 20.12.2001

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