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Aus der Region

Gibt es Alternativen?

Jugendweihe

Jährlich erregt die hohe Zahl der jungen Leute im Osten Deutschlands, die an der Jugendweihe teilnehmen, die Gemüter. Zur anfänglichen Verwunderung ist inzwischen die Frage nach Alternativen gekommen und die Anregung, dass diese auch von Vertretern der christlichen Kirchen angeboten werden könnten. Erste Erfahrungen gibt es, beispielsweise mit der Lebenswendefeier in Erfurt. Sollen die Kirchen ungetauften Jugendlichen Alternativen zur Jugendweihe anbieten? Diese Frage wird kontrovers diskutiert.

Wir sind an Ihrer Meinung interessiert: Sollen die Kirchen für ungetaufte Jugendliche eine Alternative zur Jugendweihe anbieten? Schreiben Sie uns: Tag des Herrn, PF 260 128, 04139 Leipzig.

Wie in der vergangenen Ausgabe kommen auf dieser Seite Befürworter und Kritiker zu Wort. Im folgenden Beitrag äußern Pfarrer Karl-Heinz Ducke und Kaplan Carsten Kämpf aus Jena ihre Gedanken:

Erstens: Kirchlicher Dienst ist wesenhaft sakramentaler Dienst; Dienst, aber nicht Dienstleistung für das Bedürfnis nach Feierlichkeit des Lebens. Sakramente weiten den eigenen Lebensraum hin auf Transzendenz. Sie sind spezifisch christlich, gleichsam unverwechselbare Markenzeichen. Um diese "Kristallisationspunkte", um dieses Zeichen von "Ausschließlichkeit" christlichen Lebens gruppieren sich die Lebensäußerungen von Christen, der Kirche und der Gemeinschaft in einer konkreten Gemeinde. So wird zum Beispiel das Sakrament der Buße nicht erst bei der Lossprechung im Beichtstuhl erfahrbar, sondern zuvor gehört alles dazu, was die Macht der Sünde und Schuld entschärft bis hin zur Vergebung - aber die ist nicht selbstverständlich, vielleicht nur im christlichen Kontext verständlich.

Zweitens: Pastoral im sakramentalen Bezug scheint uns deshalb als Begleitung eines Lebensweges, nicht in der Gestaltung einer Feier gegeben. Kinder und Jugendliche, die in unseren Kindergärten, die in kirchlichen Schulen in Kontakt mit der christlichen Botschaft gekommen sind - warum sollen sie eigentlich nicht kirchlich begleitete Abschlussfeiern gestalten? Hier wären die Erfahrungen kirchlicher Schulen in den alten Bundesländern nicht uninteressant, oder gibt es Unkirchlichkeit nur im Osten? An einem katholischen Gymnasium in Erfurt entstandene Feierformen im Dom kennen wir. Gibt es solches auch anderswo?

Kirchlich begleiteten Abschluss einer Lebensphase von Jugendlichen finden wir gut. Aber eine Feierkultur zu stärken, die eindeutig aus antikirchlicher Zielstellung entstanden ist, halten wir für falsche Anbiederung an säkulare Bedürfnisse. Auch unabhängig von der Jugendweihe in der DDR gewollte Schulentlassungsfeiern waren oft gegen Konfirmation und Firmung gerichtet.

Drittens: Erste Aufgabe kirchlichen Dienstes - gerade "vor Ort" in der konkreten Gemeinde - wird also die Hinführung zu den Sakramenten sein und bleiben. Ziel muss die Vollform christlichen Lebens sein: "Ja, ich möchte, dass du daran Anteil hast." Initiationsformen, Vorformen zum Eigentlichen zu erfinden erfordert heute die Phantasie der Pastoral. Dass wir den Glauben nicht einfach weitergeben können, weiß jeder Christ. Starre Formen christlichen Lebens verhindern vielleicht, dass Kirche überhaupt noch im Blick der Menschen ist, dass sie überhaupt noch für Lebensgestaltung in Betracht kommt, dass sie prinzipiell wichtig ist.

Viertens: Deshalb bestimmen uns folgende Überlegungen zum Firmkurs 2000 in unserer Gemeinde: Die Firmung ist für uns Katholiken das Sakrament der Stärkung des Getauften, das Sakrament der Besiegelung des Glaubens mit dem Heiligen Geist. In Zeiten der verfolgten Kirche war es gewiss auch ein Sakrament des Bekenntnisses zum Glauben, zur Kirche. Heute (auch in der Diaspora des Ostens) hat Firmung nicht mehr so deutlich den Bekenntnischarakter früherer Jahre. Im Gegenteil: Viele Jugendliche werden von ihren Eltern oder Erwachsenen "überredet", die sakramentale Besiegelung mit der Gabe Gottes, dem Heiligen Geist, zu empfangen. (Die Aussicht auf einen reich gedeckten Gabentisch kann für die Entscheidung sehr "hilfreich" sein.) Wir halten es daher für notwendig, die Praxis der Hinführung und der Begleitung Jugendlicher und junger Erwachsener auf dem Weg zum Sakrament neu zu überdenken - geht es doch hierbei darum, in unserer Welt nicht nur im Glauben gestärkt zu werden, sondern diesen Glauben vielfach erst einmal zu wecken, (neu) zu entdecken oder vielleicht erstmals zu reflektieren. Hier treffen sich die Situationen vieler unserer Getauften und vieler Suchenden, die nicht getauft worden sind. Auch für diese dürfte wohl nicht nur ein mit Glocken und Orgelspiel umrahmtes Fest die ersehnte Hilfe sein.

Fünftens: Angemessene Begleitung auf dem Weg eines Lebensabschnitts (junger) Mitmenschen könnte ein Glaubenskurs bieten, der hinführt zu einer reflektierten Entscheidung für den Empfang eines Sakramentes. Den Menschen ernst zu nehmen, ihn zu respektieren, das bedeutet nicht, ihn allein zu lassen, wenn eine Entscheidung ansteht. Es bedeutet aber, seine Entscheidung nach erfolgter Begleitung ernst zu nehmen, auch eine Tür offen zu halten, sollte erst zu einem späteren Zeitpunkt für ihn ein Ja zu Gott, zu Glaube und Kirche möglich sein. Erfordert das nicht neue Wege in der Firmvorbereitung?

Vielleicht entdecken Menschen, die am Glauben interessiert sind, durch das Angebot eines Glaubenskurses, dass Kirche mehr ist als ein Kreis von über die Erde zerstreuten "Gestrigen", die ihre Meinungsverschiedenheiten zu in-nerkirchlichen, aber auch gesellschaftlichen Fragen in aller Öffentlichkeit bis hin zur Peinlichkeit austragen. Ein gut gehaltener Glaubenskurs kann zeigen, dass Kirche sich abhebt von anderen öffentlichen Institutionen, dass es wahrhaftig nur der Geist Jesu Christi und des Vaters ist, der so verschiedene Menschen in der Kirche vereint zur Gemeinschaft der Gläubigen.

Sechstens: Wichtig dabei sind die Begleiter und es ist gut, dass sich dazu immer wieder Christen bereit erklären, die nicht nur "von Berufs wegen" katholisch sind: Christen, die versuchen, ihren Glauben in der Welt zu leben, Christen, die bereit sind, sich den Fragen der Menschen in unserer Umwelt zu stellen. Wir dürfen uns freuen, außer unseren kirchlichen Mitarbeitern auch andere engagierte Gemeindemitglieder dafür zur Verfügung zu haben. Kirche ist durch solche Christen im Alltag unserer Gesellschaft präsent, die ihre Arbeit aus christlicher Gesinnung heraus tun, die einen Sitz in öffentlichen Gremien haben, die das Fach Religionslehre an unseren Schulen unterrichten, die sich durch ihr christliches Verhalten absetzen von so manchem, was dem Zeitgeist entspricht. Kirche ist gerade durch das schlichte gläubige Zeugnis so vieler einfacher Christen in ihrer säkularisierten Umwelt erfahrbar. Solche Begleiter können am besten die Augen der Interessierten für die Wirkungen des Geistes Gottes in Kirche und Welt öffnen. Denn es gibt sie, die Spuren Gottes in Kirche und Welt, es gibt sie überall, wo es gläubige Menschen gibt, also auch vor Ort in unserer Gemeinde.

Begleitung suchender und interessierter Menschen, nicht Überstülpen einer alten Tradition oder einer außerkirchlichen Feierkultur - hier scheint uns eine manchmal vernachlässigte, aber wichtige Aufgabe der Kirche zu liegen. Sie darf neu entdeckt werden, damit der einzelne Mensch zur vollen Entscheidung für Gott kommen kann. Der Weg für spürbare Wirkungen der uns geschenkten Sakramente will bereitet werden.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 8 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.02.2000

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