Kirche ist kein Dienstleister
Jugendweihe
In den neuen Bundesländern hat die atheistische Jugendweihe bei den Nichtchristen eine ungebrochen hohe Bedeutung. Ich halte es für den falschen Weg, dem durch von den Kirchen gestaltete "bekenntnisfreie Lebenswendefeiern" entgegen zu steuern. Als Christen können wir unser Glaubensbekenntnis nicht einfach mal vergessen, um eine pseudo-religiöse Feier zu gestalten. Ich würde mich zum Beispiel als Priester weigern, auf einer Beerdigung zu sprechen, wenn man von mir verlangte: "Reden Sie nicht über Auferstehung und Gott. Es glaubt sowieso keiner daran."
Wir müssen akzeptieren, dass die Mehrheit in den neuen Ländern nicht an Gott und ein Leben nach dem Tod glaubt. Dies darf aber nicht dazu führen, dass wir deshalb Feiern gestalten, bei denen Gott keine oder nur eine Nebenrolle spielt. Ich vermag keinen wesentlichen qualitativen Unterschied zwischen der Jugendweihepraxis und der von der Kirche mitgetragenen "Lebenswendefeier" zu erkennen. Dadurch dass man die Sache anders nennt und sie in kirchlichen Räumen stattfinden lässt, wird sie nicht automatisch besser.
Heute, wo viele keine Orientierung für ihr Leben haben, ist es ein Fehler, wenn wir als Nebendienstleister auftreten zum Zwecke der folkloristischen Verschönerung von Familienfeiern. Im ersten Petrusbrief steht: "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt." Das heißt aber nicht, dass wir den Kern unseres Glaubens dabei außen vor lassen sollen. Wenn es in der DDR wichtig war, sich klar zu entscheiden, so ist es heute, wo oft alles beliebig, unverbindlich und gleich-gültig erscheint, um so wichtiger.
Vikar Norbert Behrendt, Merseburg
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.02.2000