Vertrieben und in der Minderheit
Orthodoxe in Polen
Köthen (tdh) - Die gemeinsame Erfahrung, aus der Heimat vertrieben zu sein, ist für die Helfer eine wichtige Motivation: Viele Köthener Katholiken unterstützen die Malteser-Hilfsaktion für orthodoxe Breslauer, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ostpolen vertrieben worden waren. Die russisch-orthodoxen Christen sind eine kleine Minderheit in Polen. Gerade die Älteren und Kranken leben in sehr einfachen Verhältnissen.
Nachdem ein erstes Projekt für Ferienkinder aus Tschernobyl auslief, haben die Malteser in Köthen 1994 mit der Solidaritätsaktion für orthodoxe Polen begonnen, erzählt Norbert Pietsch, der selbst aus Breslau stammt und zu den Initiatoren gehört. Mittlerweile ist der Malteser-Vorsitzende im Ruhestand, 1994 arbeitete er noch als Fremdsprachenlehrer für Slawis-tik und Anglistik an der Köthener Fachhochschule. Ein erster Hilfstransport führte zum orthodoxen Exerzitienhaus St. Stefan im Riesengebirge. Seither beglücken die Malteser jedes Jahr zum ersten Advent alte und bedürftige Mitglieder der orthodoxen Gemeinde St. Cyrill und Method in Breslau mit Weihnachtspaketen.
Doch nicht nur Malteser und Gemeindemitglieder beteiligen sich an der Aktion. Längst hat sie in Köthen weite Kreise gezogen, bis hin zur Sozialabteilung des Landratsamtes oder bis zum griechischen Gaststättenbesitzer Janis Savvapetrakis, der regelmäßig Geschenke für Angehörige der griechisch-orthodoxen Gemeinde Breslaus mit auf den Weg gibt. Eine Reihe von privaten Freundschaften hat sich mittlerweile aus den Kontakten entwickelt. Über die orthodoxen Freunde fanden die Malteser Kontakte zu zwei Altenpflegeheimen, die Franziskanerinnen und Albertinerinnen betreuen und die nun ebenfalls beschenkt werden mit Weihnachtspaketen, mit Pflegematerial, gebrauchter Wäsche und Kleidung. Besonders groß war der Hilfebedarf nach der großen Oderflut 1997, die auch eines der Heime überschwemmt hatte.
Beinahe jedes Jahr sind Vertreter der Breslauer Partner nach Köthen gekommen, um sich und ihre Arbeit vorzustellen und für die Hilfe zu danken. Im vergangenen Jahr war zum zweiten Mal der orthodoxe Kammerchor Oktoich dabei und gestaltete einen Gottesdienst mit.
Für den nächsten Hilfstrans-port sitzen Norbert Pietsch und der Leiter der Köthener Malteser-Dienststelle, Stefan Hess, bereits in den Startlöchern. In ihrem Lager haben sich so viele Sachspenden für Breslau angesammelt, dass sie außer der Reihe noch im März einen Fahrzeugkonvoi auf den Weg bringen wollen. Die beiden sind bisher bei jeder Breslau-Reise selbst mitgefahren. Bei den Touren sehen sie nicht nur die Anstrengung und den organisatorischen Aufwand. Die persönlichen Begegnungen in Breslau und die Besuche von orthodoxen und katholischen Gottesdiensten und Kirchen dort empfinden sie jedes Mal als kulturelle und geistliche Bereicherung.
Auslandskontakte sind für die Mitglieder des internationalen Malteser-Ordens von jeher ein wichtiges Standbein ihrer Arbeit. In Köthen gilt das bereits für die Malteser-Jugend. Seit vier Jahren pflegen die Jugendlichen Beziehungen zu einer Malteser-Schwesterorganisation in Liverpool.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 05.03.2000