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Ein wunderbarer Auftrag

Kreuzweg I

Der Künstler Karl-Heinz-ScharfEisenhüttenstadt - Mit groben Werkzeugen hat Karl-Heinz Scharf gearbeitet: mit Hammer, Beitel, Stecheisen. Herausgekommen ist dabei etwas ganz Feinsinniges: der Kreuzweg der Eisenhüttenstädter Heilig-Kreuz-Gemeinde. Ein Kreuzweg, der durch kleine Besonderheiten am Rande der Darstellung besticht, durch Details, deren Bedeutung sich erst beim näheren Hinsehen erschließen.

Ganz bewusst und mit viel Bedacht hat Karl-Heinz Scharf uniformierte Soldaten, Satellitenschüsseln und Mutter Theresa platziert - Motive aus unserer Zeit, denen sowohl Künstler als auch Betrachter in ihrem Lebensalltag immer wieder begegnet sind und begegnen. Karl-Heinz Scharf sind diese Darstellungsformen wichtig. "Der Betrachter muss sich sehen können im Kreuzweg", erklärt er sein Anliegen. Er will zeigen: Der Kreuzweg ist nicht 2000 Jahre weit weg, sondern ganz aktuell. Scharf ist sicher: "Es passieren so schlimme Dinge in der Welt. Da sind den Menschen diese Darstellungen näher als solche, wo alles sehr lieblich und schön ist." Ein besonders großes Lob für ihn ist deshalb, was ein Gemeindemitglied einmal sagte: "Neulich habe ich am Kreuzweg gebetet, und da ist mir etwas ganz neu aufgegangen."

Den direktesten Bezug zum Kreuzweg, der Ende 1998 eingeweiht wurde, hat wahrscheinlich Karl-Heinz Scharf selbst. Seine Hoffnungen, eigenes Leid und viele Erfahrungen aus seinem Leben hat der 60-Jährige mit in die Arbeit gesteckt. Ein Beispiel dafür: Die verschränkten Arme hinter einer Gardine, die an der dritten Kreuzwegstation zu sehen sind.

Nach seiner Schulzeit in Neuzelle machte Karl-Heinz Scharf in den fünfziger Jahren eine Ausbildung als Gebrauchswerber und Theatermaler in seiner Geburtsstadt Frankfurt / Oder. Gerne hätte er damals Kunst studiert. Doch sein Glaube und die Tatsache, dass sein Vater in den Westen gegangen war, machten dieses Ziel unmöglich. Nach der Lehre arbeitete er am Frankfurter Kleist-Theater. Hier entwarf und fertigte er Bühnenbilder, wurde Chef der dortigen bühnenbildnerischen Werkstätten. Später arbeitete Scharf im Eisenhüttenkombinat, unter anderem als Plakatmaler und Werbegrafiker. Immer wenn es um Gestaltung ging, war er gefragt. Seit 1986 ist der Vater zweier Töchter selbstständig.

Scharfs Spezialstrecken sind die Aquarellmalerei und die Grafik. Doch nur damit hat sich der Mann, der künstlerischen Herausforderungen nicht widerstehen kann, nicht zufrieden gegeben. Verschiedene Drucktechniken, ÷lmalerei, Glasgestaltung - vieles hat er ausprobiert. Für seinen großen Erfolg sprechen Auszeichnungen und internationale Ausstellungen.

Der Altar der Heilig-Kreuz Gemeinde in EisenhüttenstadtAll die gesammelten Erfahrungen dieser Jahre seien wichtig gewesen, resümmiert Karl-Heinz Scharf. "Zwanzig Jahre früher hätte ich den Kreuzweg nicht schnitzen können. Ich wäre dafür noch nicht reif genug gewesen." Schließlich, so meint er, "muss man seinen Weg als Künstler erst finden und ihn dann ausbauen." Das bedeutet für ihn, dass sich die Bildsprache über die Jahre unter Umständen verändern kann. So dokumentieren auch seine Bilder persönliche Entwicklungen. Im Wohnzimmer der Familie hängt ein ÷lbild; es zeigt das Ufer der Oder - übrigens eines seiner bevorzugten Motive. Die Farben sind dunkel und schwer. Schwer, wie manche Zeit, die der Künstler und seine Familie erlebt haben. Doch die neuesten Bilder sind wieder heller, leuchtender, freundlicher. Scharf selber sagt: "Ich glaube, dass es jetzt wieder ein bisschen bunter wird", und lächelt. Daran ist der Kreuzweg nicht ganz unschuldig: Schwere Erfahrungen konnte Scharf mit hineinschnitzen und so verarbeiten. Doch nicht nur deshalb bezeichnet der Künstler die Arbeit für die Kirchgemeinde als eine Wende in seinem Schaffen. Denn lange hatte er sich nicht an Holzarbeiten "herangewagt". Die Initialzündung war, als der Pfarrgemeinderat der Heilig-Kreuz-Gemeinde ihn 1993 anfragte, die neue Kirche auszugestalten. Dabei ging es vorerst nicht um den Kreuzweg, sondern um Altar, Tabernakel, Leuchter und anderes "Kirchenmobilar". Die Anfrage kam genau zur richtigen Zeit. Scharfs Lust auf etwas Neues war geweckt. Und er machte sich an die Arbeit. Viele Überlegungen und Entwürfe waren nötig. Schließlich galt es, einen Innenraum zu schaffen, in dem auch das Kreuz und die Madonna aus der alten Kirche integriert waren. Für den Altar machte Scharf mehrere Entwürfe. Keiner machte ihn ganz zufrieden. Bis er schließlich beim Einbauen seiner Fenster im eigenen Haus auf die entscheidende Idee kam. Die Formen, die dort beim Ausschäumen entstanden, inspirierten ihn. Mittlerweile finden sie sich im Altar wieder.

Entstanden ist ein heller, freundlicher Kirchenraum, der schon viele Besucher und sogar den Bischof ins Schwelgen kommen ließ. 1995 bis 1998 arbeitete Scharf dann am Kreuzweg. Eigentlich Tag und Nacht. Denn "im Hinterkopf war ich immer bei der Sache". Manchmal wachte er nachts auf, griff zu Stift und Papier und machte sich Notizen. Zeitweilig schloss er sich in seinem Atelier im Keller des Wohnhauses ein, um ganz bei der Sache sein zu können. "Die erste Station", erinnert er sich, "war die Schwierigste". Diese schnitzte er zweimal. Als sie "geschafft" war, die Gestaltungsform gefunden war, ging die Arbeit zielstrebig voran. Bei einer Station kreisten die Gedanken immer auch schon ein bisschen um die nächste. So steht nicht jede Station für sich. Zusammen ergeben sie ein großes Gesamtwerk, an dessen Ende die Hoffung steht.

Dass auch die ganze Kirchenraumgestaltung ein Ganzes ergibt - darum hat Karl-Heinz Scharf sich bei all seinen Arbeiten bemüht. Die Kirchenraumgestaltung nennt er einen "wunderbaren Auftrag". Besonders hat ihn dabei die Freiheit fasziniert, die Pfarrer Wolfgang Pohl ihm gegeben hat. Der Eisenhüttenstädter Seelsorger hat Scharf keine engen Vorgaben gemacht. Alle Entwürfe haben sie gemeinsam beraten, als Partner.

Eine Idee steht nun noch aus, mit der Pfarrer Pohl und Karl-Heinz Scharf "liebäugeln": Neue Kirchenfenster sollen die Innenraumgestaltung des Gotteshauses vervollkommnen. Zwar muss dieses Vorhaben wegen der Finanzen noch ein bisschen warten. Die ersten Ideen "schleppt" Scharf aber schon wieder "mit sich herum". Bis dahin arbeitet er an kleineren Auftragswerken, unter anderem für die Stadt Eisenhüttenstadt, macht Illustrationen und andere Arbeiten. Darüber hinaus bietet er Kunstzirkel für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an - etwas, das ihm seit Jahren ganz besonders am Herzen liegt und das in der gesamten Region sehr gefragt ist.

Im Moment stapeln sich in Scharfs Atelier viele, viele Aquarelle, die er vor wenigen Monaten im Urlaub auf der Mittelmeerinsel Iskia gemalt hat. An ihnen arbeitet er seit einigen Wochen. Zu sehen sind die Stücke ab 19. März im Kulturzentrum Eisenhüttenstadt, im Rahmen einer "Italienischen Woche". Weitere Werke von Karl-Heinz Scharf sind vom 9. April an bis nach Ostern im Kreuzgang des Klosters Neuzelle zu bewundern.

Wer sich den Kreuzweg von Karl-Heinz Scharf gerne ansehen möchte hat dazu nicht nur in der Eisenhüttenstädter Heilig-Kreuz-Kirche Gelegenheit. Während der ganzen Fastenzeit stellt der Tag des Herrn auf Seite 20 jede Woche eine derStationen vor. Die Texte dazu hat Rat Klaus Weyers aus Neuzelle geschrieben.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 11 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.03.2000

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