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Wehrlos ausgeliefert-Überzeugt, zu Gott zu gehören

Konsolen in St. Sebastian

Im Tag des Herrn vom 23. Januar schrieb Frau Ulrike Kriesel im Beitrag "Ich halte nichts von Heiligen" eine Meditation über die Darstellung des heiligen Sebastian auf einer Konsole in der Magdeburger Sebastianskirche, die mich tief berührt hat.

Denn alle Titel, die sie diesem Bild gab, treffen genau meine Situation im KZ-Dachau vor 60 Jahren: Gewissheit, zu Gott zu gehören", "Vor der Hinrichtung", "Wehrlos ausgeliefert und doch gelassen" und "Angreifer aus dem Hinterhalt". Bereits im Polizeigefängnis Leipzig schenkte mir Gott mit einem illegalen Einblick in meine Gestapo-Akten die Gewissheit, dass meine Zugehörigkeit zu Gott als katholischer Priester der eigentliche Grund meiner Verhaftung gewesen war. Denn nach einem vergeblichen Versuch, mich von meinem priesterlichen Beruf und meinem Glauben abzubringen, lese ich dort als Begründung für meine KZ-Haft: "Da Sch. als fanatischer Verfechter der Kirche geeignet ist, Unruhe in die Bevölkerung zu tragen, veranlassen wir KZ-Haft in Dachau."

So konnte ich den gefürchteten Transport ins KZ antreten mit einer Gelassenheit, die nur Gott schenken kann. Bei unserer Ankunft im KZ wurde die beruhigende Gewissheit, zu Gott zu gehören, noch vertieft durch die Ansprache des Kommandanten an uns Neuzugänge, die ich nie vergessen werde: "Ihr seid aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen und hier ehrlos, wehrlos und rechtlos." Das war für mich ein Aha-Erlebnis: Nun bin ich wirklich ein Jünger meines Herrn Jesus Christus, der ja aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen rechtlos, ehrlos und wehrlos am Kreuz hing. Nun ist alles, was auf mich zukommen wird, nur noch Gottes Sache, um die ich mich nicht mehr weiter zu sorgen brauche. Und gerade das habe ich dann in den folgenden Jahren tausendfach erlebt.

Am deutlichsten, als ich in der Invalidenbaracke - für den Tod in der Gaskammer bestimmt - auf meine Hinrichtung warten musste. Wie der Magdeburger Sebastian - er wird ohne Arme dargestellt - sich nicht wehren kann, ist nun auch meine Lage völlig aussichtslos, denn wenn damals einer erst auf der Lis-te der Todeskandidaten stand und auf dem Invalidenblock gelandet war, gab es für ihn kein Entrinnen mehr. Damit ich diese Situation "dazwischen" ohne Angst und Verzweiflung aushalten kann, schickt Gott mir, wie schon im Leipziger Gefängnis, ein Zeichen: Der Diakon Karl Leisner flüstert mir in einem unbewachten Augenblick Mut zu mit den Worten: "Denk an die drei Jünglinge im Feuerofen." Das sollte bedeuten: Gott vermag doch alles. So wie er den drei Jünglingen - im Buch Daniel - einen rettenden Engel sandte, um sie aus dem Feuerofen des Königs Nebukadnezar zu erretten, so kann er auch dir einen Engel schicken, um dich vor der Vernichtung in Gaskammer und Feuerofen zu retten.

Er hat es getan. - Der rettende Engel war meine Zwillingsschwester, die - auf wunderbare Weise über mein mir bevorstehendes Schicksal informiert - durch ihre mutige Intervention beim Reichssicherheitsamt in Berlin mich und zugleich noch mehrere Hundert weitere Priester vor dem Tod in der Gaskammer errettet hat.

Mein "Angreifer aus dem Hinterhalt" aber, der mich als Denunziant ins KZ befördert hatte, begegnete mir 30 Jahre später in Gestalt seiner Tochter, die für ihren flüchtigen Vater um Vergebung bat. Hermann Scheipers

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 11 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.03.2000

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