Schmoren wir im eigenen Saft?
Studientag in Leipzig
Leipzig (jak) - "Schmoren wir im eigenen Saft?" oder "Wie kann Kirche nach außen wirken?" - dies ist eine "Frage, die uns seit langem umtreibt", betonte Friedrich Rebbelmund zu Beginn eines Studientages in der Leipziger Propstei, der sich dieser Thematik stellen sollte. Er sagte weiter: "Aber wir merken auch oft, dass wir voll damit beschäftigt sind, auf uns selber zu blicken." Dennoch bleibe der Anspruch und die Ermutigung, etwas von der Botschaft Christi weiterzutragen. Schwester Christine Zeis von der Kontaktstelle Orientierung - welche zu diesem Tag eingeladen hatte - hob hervor, dass es um gegenseitiges Mutmachen und den Austausch unterschiedlicher Quellen gehe.
Zunächst wurden in Arbeitsgruppen die Problemlagen gesichtet. Einige von ihnen waren: "Christen werden weniger", "Die Glaubwürdigkeit lässt nach" oder "Wie kann über den Glauben gesprochen werden?" Pater Klaus Gräve (Herz-Jesu-Missionare) betonte an dieser Stelle: "Der Mut, über den Glauben zu sprechen, bedeutet auch, dass ich es kann." Andere aufgezeigte Problemfelder waren die Familie, Traditions-Christentum, leerer werdende Gottesdienste und die Frage, wie sich Kirche nach außen darstellt.
Bevor es an genauere Überlegungen ging, waren die anwesenden Frauen und Männern zu einer Bibelarbeit eingeladen. Dabei ging es um die Annäherung an die theologischen Grundlagen für den Sendungsauftrag des Christen. Eine der Gruppen beschäftigte sich mit der Bibelstelle "Ihr seid das Salz der Erde". Unter anderm wurde dieser Gedanke formuliert: "Salz braucht man nur ganz wenig, aber es hat eine tolle Wirkung. Zu viel Salz verdirbt das ganze Essen." Wo immer Christen hingestellt werden, sei es im Beruf oder das Kind in der Schule, immer komme es darauf an, sich als Salz zu erweisen. Schwester Christine machte Mut: "Diese Bibelstelle zeigt mir auch, dass Gott uns etwas zutraut." Abschließend sprach Pater Bernd Knüfer (SJ) von der Kontaktstelle Orientierung über das, was Kirche heute unter ihrer Sendung versteht und andere Aspekte des Tagesthemas. Der Jesuit betonte: "Nicht wir müssen aus eigener Kraft die Welt retten, sondern der, der die Welt rettet, ist Gott." Es komme darauf an, dass die Christen mit dem Wirken Gottes mitgehen.
Zugleich machte Knüfer deutlich, dass es wichtig sei, dass sich Religion gesellschaftlich ausprägt. "Ungerechtigkeit und Korruption zu vertreiben, das heißt heute beispielsweise Dämonen austreiben." Und wenn das Leben der Christen bei all den anderen Menschen keine Fragen mehr aufwirft, dann ist es ein Grund darüber nachzudenken. In Bezug auf die Verkündigung des Glaubens betonte der Jesuit, dass "wir darauf angewiesen sind, dort gut zuzuhören, wo der andere gerade steht". Dialog heiße auch, all das zu sehen, was an Gutem schon da ist. Und Jesus tue etwas immer dann, wenn die richtige Stunde dazu gekommen sei, betonte Knüfer weiter. Leider wurde diese Fragestellungen am Nachmittag etwas aus den Augen verloren. Konkret ging es um die Fragen: "Sagbarer Glaube", "Kirche im öffentlichen Raum", "Ökumene" und "Öffnung der Gemeinde". Gerade in letzter Arbeitsgruppe fiel es den Teilnehmenden eher schwer, eine gemeinsame Position zu beziehen. Die Frage des Zwenkauer Pfarrers Thomas Schorcht, wie sich seine Gemeinde in das alljährliche örtliche Laurentiusfest einbringen kann, blieb leider ohne große Resonanz. Überdurchschnittlich hoch waren Vertreter des Neokatechumenates aus der Gemeinde Taucha vertreten. Sie warben für ihren Weg, immer wieder Menschen zu ihren Katechesen einzuladen.
Von Seiten des Vertreters der Leipziger Propsteigemeinde wurde der Gedanke nahegebracht, dass die Gemeinden untereinander offener werden und den Blick auf die anderen Gemeinden des Dekanates richten sollten. Warum, so seine Frage, werden nicht Einladungen über die Pfarrgrenzen hinweg ausgesprochen. Muss doch das Fahrrad nicht überall neu erfunden werden. Zugleich äußerte er den Wunsch nach entsprechenden Schulungen, um mit anderen Menschen qualifiziert über den Glauben ins Gespräch kommen zu können. Dieses Anliegen wurde auch von der Arbeitsgruppe "Sagbarer Glaube" aufgegriffen.
Dabei wurde deutlich, dass es zuerst auf das richtige Hinhören ankomme, um sprechen zu können. Angesprochen wurde auch der Themenkreis Predigt. Pater Klaus Gräve dazu: "Mir liegt viel daran, ein Echo auf die Predigt zu bekommen oder zu hören. Wie wäre es, wenn du mal da-rüber sprichst?" Ein anderer Teilnehmer kritisierte, dass es oft sehr schwer sei, aus den am Sonntag gehörten Worten etwas für die Woche mitzunehmen. Die Teilnehmenden waren sich da-rüber größtenteils einig, dass ein Dialog über die Predigt ein ers-ter Schritt dazu sei, die Sprachlosigkeit zwischen Pfarrer und Gemeinde zu überwinden. Aus der Propstei kam dazu die Anregung, dass ein Pfarrer seine Predigt auch zusammen mit einem Hauskreis ausarbeiten kann.
Hervorgehoben wurde weiter die große Bedeutung, dass eigene Glaubenswissen zu vertiefen. Noch einmal Pater Gräve: "Das Glaubensniveau sollte auf die gleiche Höhe gestellt werden wie das berufliche Niveau." Die Juden beispielsweise hätten in der Diaspora nur deshalb überlebt, weil sie ständig den Glauben studiert hatten.
Zum Thema "Kirche im öffentlichen Raum" gab es mehr Fragen als Antworten. Eines wurde aber deutlich, Kirche soll weiter soziales Gewissen sein, das sei eine sehr wichtige Aufgabe für die Zukunft. Erinnert wurde weiter an das politischen Engagement vieler katholischer Christen.
Der Studientag war sicher ein erster Schritt dazu, um Glaube und Kirche im Raum Leipzig für viele Menschen attraktiver zu machen - auch wenn die Frage "Schmoren wir im eigenen Saft?" blieb. Im November möchte man sich erneut treffen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.03.2000