Das Pantheon: Einst von Göttern geweiht
Unterwegs in Rom
"M AGRIPPA I F COS TERTIUM FECIT" liest man auf dem Archetraph der gewaltigen Säulenvorhalle des Pantheons - auf Deutsch: "Marcus Agrippa, Sohn des Julius, hat dies erbaut, als er zum dritten Mal Konsul war." Gemeint ist der Freund, Feldherr und Schwiegersohn des ersten römischen Kaisers Augustus, der im Jahre 25 vor Christus auf Anregung seines Gönners hin einen Tempel für alle Götter errichtete. Als Augustus kurz vor seinem Tode zum letzten Mal auf dem Marsfeld das Sühneopfer verrichtete, ließ sich ein Adler auf dem "M" der Inschrift nieder - die notorisch abergläubischen Römer deuteten dies als Hinweis auf den baldigen Tod (M für mors) des Kaisers. Von dem ersten Triumphbau des augusteischen Regimes blieb nur der beeindruckende Porticus. Kaiser Hadrian ließ im Jahre 118 den eigentlichen Tempel des Agrippa durch jenen Kuppelbau ersetzen, der heute den Besuchern, die ihn betreten, ihre menschliche Kleinheit vor Augen führt.
Durch die "oculus" (Auge) genannte ÷ffnung am höchs-ten Punkt der Kuppel fällt ein Lichtstrahl ein - der Erhabenheit des Göttlichen konnte sich sicherlich kein antiker oder mittelalterlicher und kann sich kein moderner Mensch entziehen. Wer sich fragt, wie die Architekten das Problem des einfallenden Niederschlags bewältigt haben, findet die Lösung in der Mitte des farbigen Marmorbodens: Dort sind zwei unauffällige Abflusslöcher eingelassen. Architektonische Details vermögen zu erklären, warum die 43 Meter hohe Kuppel überhaupt hält: Die hohlen Kassettenfächer vermindern ihr Gewicht, zudem wird sie durch in die Mauer eingebettete Ziegelbögen gestützt.
Das Wunderwerk römischer Baukunst hat in seiner Geschichte etliche Höhen und Tiefen erlebt. Der byzantinische Kaiser Phokas übertrug es 608 an Papst Bonifatius, dieser weihte es zur Kirche "Santa Maria ad Martyres". Ein weiterer byzantinischer Kaiser raubte 663 die vergoldeten Dachziegel, und auch der Barockpapst Urban VIII. bediente sich an der Bausubs-tanz: Er ließ die Bronzeverstrebungen, die die Säulentrommeln der Porticus zusammenhielten, einschmelzen, und stellte sie für Berninis Baldachin in San Pietro zur Verfügung. Zum Dank schmückte Bernini das Pantheon mit zwei Türmchen, die zum Glück für das Bauwerk 1883 wieder abgerissen wurden. Seinen absoluten Tiefpunkt erlebte es im 14. Jahrhundert, als es als Festung und Geflügelmarkt zweckentfremdet wurde.
In den Nischen, in denen einst Roms Götter standen, thronen nun die Grabmäler berühmter Persönlichkeiten, deren Stil von Renaissance bis zum pompösen Neobarock reicht. Raffael, der große Maler aus der Urbino, und auch Vittorio Emanuele II., der ers-te König des 1861 gegründeten italienischen Staates, sind hier begraben.
Klaus Grabenhorst
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.03.2000