Bischöfe aus Venezuela zu Besuch im Bistum
Dresden-Meißen
Dresden (tg) - Auf ihrer Besuchsreise durch die Bundesrepublik hat eine siebenköpfige hochrangige Delegation der katholischen Kirche Venezuelas am 20. März im Bistum Dresden-Meißen Station gemacht. Geleitet wurde sie vom Vorsitzenden der Venezolanischen Bischofskonferenz, dem Erzbischof von Merida, Baltazar Porras. Ziel der Gespräche sei zum einen der Ausbau bestehender Kontakte zur Deutschen Bischofskonferenz und zu Laienorganisationen gewesen, sagte Michael Lingenthal. Er vertritt in Venezuela die Konrad-Adenauer-Stiftung, die den Besuch organisierte. Zum anderen habe sich die Delegation über Fragen der Bildung und Erziehung informiert.Venezuela, das im Norden des südamerikanischen Kontinents liegt, ist mit mehr als 900 000 Quadratkilometer fast drei mal so groß wie die Bundesrepublik und hat rund 22 Millionen Einwohner. 95,2 Prozent der Bevölkerung sind katholisch.
Im Dezember des vergangenen Jahres wurde das Land von einer Flutkatastrophe heimgesucht. Auf einer Breite von 45 Kilometern wälzten sich die Wassermassen durch das Land und verschütteten rund 50 000 Menschen unter Schlamm und Geröll. Zu denen, die als erste Hilfe leisteten, gehörten internationale katholische Organisationen wie etwa die Caritas.
Die katholische Kirche sei heute die glaubwürdigste Institution in der Bevölkerung, noch vor den Massenmedien und dem Militär, sagte Erzbischof Porras. Sie sehe sich besonders sozialen Aufgaben verpflichtet. Dennoch sei ihre Struktur schwach. Vielfach existierten bei den Menschen große Wissenslücken über den Glauben. Daher müssten besonders Bildungs- und Ausbildungsprojekte entwickelt werden.
Grundlage der venezolanischen Wirtschaft sind reiche Erdölvorkommen. Das erwecke in der Welt oft den Eindruck, als sei Venezuela ein reiches Land, so Erzbischof Porras. Die Realität jedoch sehe anders aus: "Die Armut wächst täglich." Rund 70 Prozent der Bevölkerung leben in Armut. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, die Korruption hat zugenommen. Die Regierung habe keine klaren Vorstellungen über die Gestaltung der Wirtschaft. Das schreckt potentielle Investoren ab. Verunsichert ziehen ausländische Unternehmen dringend benötigtes Kapital aus dem Land ab.
Michael Lingenthal betonte weiter, dass Hilfslieferungen von Nichtregierungsorganisationen (NGO) ohne Umwege über die Regierung direkt den Betroffenen zugute kommen müssten. Angesichts der weit verbreiteten Korruption sei das Vertrauen in Regierungsstellen nicht groß. Hoffnung mache jedoch die ausgeprägte Struktur lebendiger Nachbarschaftshilfe, kleiner Vereine und kirchlicher Gruppen, so Lingenthal. Dies sei eine ausgezeichnete Basis. "Wenn wir dieses Bürgerengagement, diese kommunitären Strukturen unterstützen, wird das Land aus seiner Armut herauskommen."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.04.2000