Gottes "Ja" zu uns
Gedanken zum Weihnachtsfest von Bischof Nowak

Bischof Leo Nowak
Liebe Leserinnen und Leser!
Weihnachten ist da. Be-sonders die Kinderherzen schlagen höher und schneller, aber auch Erwachsene freuen sich auf Stunden im Kreis der Familie oder der Freunde. Manchem aber stellen sich gerade in diesen Tagen drängende Fragen, besonders all jenen in Einsamkeit, Krankheit, Angst oder Not.
Und auch unter dem Weihnachtsbaum lassen sich -besonders in diesem Jahr -die Bilder des Elends, des Terrors und des Krieges nicht einfach beiseite schieben. Kein Jahresrückblick, ob im Fernsehen oder im persönlichen Bereich, wird an diesen Bildern vorbeikommen. Und wieder werden Fragen zurückbleiben. All diese Fragen münden in einer gleichsam zentralen Frage: Was soll aus mir und dieser Welt werden, wie geht es weiter?
Viele Menschen, besonders im Osten Deutschlands, fragen sich darüber hinaus auch nach der Zukunft des Landes, ihrer Heimat, der Gesellschaft, in der ihre Kinder groß werden sollen. Viele junge Menschen verlassen ihre Heimat auf der Suche nach einer Zukunftsperspektive, hier scheint es für sie keine mehr zu geben.
Es gibt anscheinend genügend Gründe, voller Skepsis in die Zukunft zu schauen. Weihnachten aber feiern wir die Antwort unseres Glaubens auf diese bohrenden Fragen! Dieses Fest ist kein Fest, an dem die Wirklichkeit dieser Welt "kuschelweich gespült" wird, wenigstens für ein paar Stunden. Denn wir feiern, dass genau mitten hinein in diese Welt (und in keine andere!) Gott Mensch geworden ist. Gott hält sich aus dem Lauf dieser Welt nicht heraus. Sie war und ist ihm nicht "egal". Deswegen ist sie nicht verloren.
Das ist die Perspektive, die sich aus der Sicht der Krippe in Betlehem ergibt. Weihnachten hat seinen tiefen Grund in der Freude darüber, dass Leben grundsätzlich gelingen kann. Daher ist es gut und nicht sentimental, wenn wir dieses Fest vor allem als Fest der Liebe, der Familie und des Friedens feiern.
Es gibt mehr, als immer nur die negative und pessimistische Sicht der Dinge. Es gibt eine Kraft, die stärker ist, als alle schlechten Erfahrungen der Menschheitsgeschichte. Diese Kraft ist in einem "Ja" begründet, das jedem ganz persönlich zugesprochen wird. Dieses "Ja" ist die Liebe, ohne die kein Mensch menschlich leben könnte. Das Kind in der Krippe ist in Person Gottes "Ja" zu uns.
Aus diesem "Ja zum Leben" kann uns die Kraft zu menschlicher Solidarität und einer Hoffnung erwachsen, die über die Grenzen der eigenen Erfahrungen hinausreicht, die uns erahnen lässt, dass die ganze Wirklichkeit größer ist als all unser Wissen und Tun.
Dieses "Ja" macht auch deutlich, dass wir noch längst nicht fix und fertig sind. Wir sind auf dem Weg, aber noch keines-wegs am Ziel. Wir sind nicht perfekt, aber auch nicht unverbesserlich. Wir haben immer noch etwas vor uns. Es gibt immer noch etwas zu erwarten.
Diese Perspektive kann uns zu jener Gelassenheit verhelfen, die es uns ermöglicht, unser Leben anzunehmen und zu gestalten, das eigene Menschsein immer wieder neu zu wagen, den Blick für das Kleine und Schwache nicht zu verlieren, das Herz dem anderen Menschen nicht zu verschließen und letztlich die Sehnsucht nach Gott selbst und nach seinem Reich wachzuhalten. In diesem Sinn - eine gesegnete Weihnachtszeit!
Ihr Bischof Leo Nowak
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 20.12.2001