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Der Hohepriester Kajaphas

Passionsgeschichte

Hohepriester aus Jerusalem (Szene aus Oberammergauer PassionsspielenIn seiner Artikelserie geht der Erfurter Neutestamentler Claus-Peter März verschiedenen Personen nach, die in der Passionsgeschichte Jesu eine wichtige Rolle spielen. Von ihnen her gesehen macht März das historische Geschehen des Leidens und Sterbens Jesu deutlich:

Unter den Personen, die den Gang der Passionsgeschichte bestimmen, sticht Josef Kajaphas, der Hohepriester jenes Jahres, besonders hervor. Bei ihm laufen die Fäden der Aktion gegen Jesus zusammen; er erscheint als der eigentliche Gegenspieler Jesu. Im Johannesevangelium wird denn auch ausdrücklich vermerkt, er habe den Juden den Rat gegeben, Jesus zu töten (Joh 19,13). Wer war dieser Kajaphas? Welche Beweggründe machte er für seine Haltung geltend?

Das Amt des Hohenpriesters hatte zur Zeit Jesu bereits viel von seiner früheren Bedeutung eingebüßt. Dennoch war es eine entscheidende Orientierung für alle Juden. Auch wenn der Hohepriester schon lange keine politische Größe mehr war und seine Aufgaben sich auf den Tempel und den Kult bezogen, so war er doch der entscheidende Sprecher aller Juden. Gerade in Judäa trat er zusammen mit dem Synhedrium geradezu als Vertretung der jüdischen Bevölkerung gegenüber der römischen Verwaltung auf. Dabei war er aber von der römischen Besatzung abhängig, denn jeder Hohepriester musste vom römischen Präfekten bestätigt werden. Dieser verwahrte auch das hohepriesterliche Kultgewand und händigte es dem Tempel nur zu den Festfeiern aus, was die Juden als unerträgliches Zeichen der Unterdrückung empfanden.

Eine wichtige Rolle unter den Hohenpriestern jener Zeit spielte die Familie des Hannas: Hannas selbst war fast zehn Jahre Hoherpriester (6-15 n. Chr.). Nach ihm bekleideten auch seine Söhne Jonathan (37), Theophilos (37-41) und Ananos (62) dieses Amt. Am längsten aber hatte es sein Schwiegersohn Kajaphas inne (18-37). Seine lange Amtszeit verweist ohne Zweifel auf eine am Machbaren orientierte Politik, die darauf ausgerichtet war, mit der römischen Verwaltung ein möglichst spannungsfreies Verhältnis zu finden. Kajaphas betrieb "Realpolitik", das heißt, er sah, dass die Juden, wenn sie gegen Rom auftreten würden, nichts gewinnen, wohl aber alles verlieren könnten.

Deshalb setzte Kajaphas auf den Ausgleich und wandte sich gegen alle Versuche, gegen die römische Verwaltung zu opponieren. Ihm ging es um die Sicherung des Status quo, der eine bescheidene jüdische Selbstverwaltung unter römischer Oberhoheit garantierte, die Stellung des Tempels als religiöses Zentrum aller Juden nicht antastete und so die Einheit des Volkes bewahrte. Auf dieser Ebene sucht er mit Erfolg auch die Verständigung mit Pilatus. Es dürfte deshalb kein Zufall sein, dass seine Amtszeit erst mit der Entlassung des Pilatus endet.

Beim Prozess Jesu zeichnen die Evangelien zwar ein negatives Bild des Kajaphas, sie lassen aber bei näherem Hinsehen erkennen, dass er seiner politischen Linie treu bleibt. Im Johannesevangelium lesen wir von einer Versammlung des Synhedriums, bei der die Besorgnis über Jesu Wirken ausgesprochen wird: "Wenn wir ihn so lassen, werden alle an ihn glauben, und die Römer werden kommen und unsere Stadt wie auch unsere Nation wegnehmen." Es ist Kajaphas, der ihnen seinen "Lösungsvorschlag" verdeutlicht: "Ihr wisst nichts und überlegt auch nicht, dass es euch nützlich ist, dass ein Mensch für das Volk sterbe und nicht die ganze Nation umkomme" (Joh 11,45-53).

Lassen wir dahingestellt sein, ob diese Szene auch so stattgefunden hat, bedeutsam ist, dass sie die Haltung des Tempeladels angemessen beschreibt und vor allem die politische Linie des Kajaphas zutreffend ins Wort hebt. Es geht ihm um das Mögliche - und das ist: Die Einheit des Volkes erhalten, den Tempel bewahren. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, ist die Loyalität gegenüber Roms Interessen. Bei diesem Bemühen empfinden sie Jesus als Gefährdung: Sein Anklang im Volk könnte Unruhen fördern, seine Botschaft klingt in ihren Ohren wie die Aufruf zum Aufstand. Seine Kritik am Tempel, die in der Tempelreinigung sichtbar wurde, bedroht das heilige Zentrum und damit die Einheit des Volkes. Deshalb bringen sie ihn vor Pilatus und präsentieren ihn als einen, der die öffentliche Ordnung verletzte und die Interessen Roms gefährdetw. Auch gegen das Zögern des Pilatus setzt Kajaphas und die Gruppe um ihn die Anklage durch, die letztlich nur mit der Kreuzigung enden konnte.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 14 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.04.2000

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