Die Sixtinische Kapelle im Vatikan
Unterwegs in Rom
Ein Magnet für Bildungsreise und Pilger war sie schon immer: die nach Papst Sixtus IV. benannte Sixtinische Kapelle. Doch seit 1994, als man die Restaurierung des "Jüngsten Gerichts" abschloss, ist die "Sixtina" noch sehenswerter. Pro Tag kommen durchschnittlich 7000 Besucher in die Vatikanischen Museen, zu denen - als künstlerischer Höhepunkt - die berühmte Kapelle gehört.
Sowohl das Deckengemälde, die Erschaffung der Welt darstellend, wie auch das "Jüngste Gericht", das berühmteste und meistdiskutierte Fresko der Weltkunst, strahlen nach der Instandsetzung in leuchtenden, kräftigen Farben. Die Restauratoren, lobten Experten, haben Michelangelo "neues Leben eingehaucht".
Der geniale Toskaner hatte insgesamt elf Jahre lang, in zwei Etappen, in der Kapelle gearbeitet. Zunächst, von 1508-1512, dekorierte er die Lünetten und schuf das De-ckenfresko "Die Schöpfung" - eine phantastische Leistung, wenn man bedenkt, dass der Meister meist auf dem Gerüst liegend malen musste. 23 Jahre später begann er mit den Skizzen für das Riesengemälde an der Altarwand. Das Ende der Welt und das Jüngste Gericht wollte er zeigen. 1541 beendete er das Werk.
Im Lauf der Zeit legten sich Schichten aus Kerzenruß, Weihrauch und Staub auf die Gemälde. Eine Patina, ein Grauschleier entstand. In den 1970er Jahren beschloss der Vatikan, die Fresken mit modernsten Mitteln zu säubern. Und bald begann die "Jahrhundert-Restauration". Wichtigster Sponsor wurde dabei, kurios genug, ausgerechnet eine TV-Gesellschaft aus Japan: Für vier Millionen Dollar sicherte sie sich die Bildrechte in der "Sixtina".
Durch die Säuberung kam ein "neuer" Michelangelo ans Licht, ein kühner Kolorist. Gewiss, die hier und da grellen Farbtöne riefen zunächst Kritik hervor - doch sie ist inzwischen verstummt. Seit Dezember 1999 erstrahlen nun auch die (nicht von Michelangelo bemalten) Seitenwände der Kapelle in neuem Glanz. Denn pünktlich zum Heiligen Jahr hat man die Renaissance-Fresken von Botticelli, Ghirlandaio, Rosselli und Perugino gereinigt. Also großartige Wandgemälde mit biblischen Szenen vor toskanischem oder umbrischen Landschaftshintergrund. "Endlich nicht mehr nur Michelangelo," lobten die Medien im Blick auf die fertig restaurierte Kapelle.
Insgesamt hat die Renovierung der Kunstwerke 21 Millionen Mark gekostet. Am Ergebnis, diesem Farbenfest im Vatikan, können sich nun Pilger aus aller Welt erfreuen. Übrigens ist die Kapelle bekanntlich Schauplatz der Papstwahl. Wenn die Kardinäle irgendwann in der nächsten Zeit zu diesem Zweck in der "Sixtina" zusammentreffen, so kann ihr Blick über ein unvergleichlich schönes Fresken-Panorama schweifen.
Bernhard Hülsebusch
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.04.2000