Gegen das Vergessen
Jugendprojekt in Magdeburg
Magdeburg (dw) - Wenn im Radio von Konzentrationslagern die Rede ist, wird Manuela Büchting hellhörig. "Ich nehme dieses Thema jetzt ganz anders wahr", sagt die 17jährige Schülerin aus Wernigerode. Vor drei Monaten ging ein Projektjahr zu Ende, das 16 Jugendliche aus dem Bistum Magdeburg auf die Spuren der historischen Ereignisse in deutschen Konzentrationslagern führte. Abhaken wollen Manuela Büchting und andere Teilnehmer am Projekt "Gegen das Vergessen" das Thema aber nicht. "Ich will das Erlebte weitergeben", sagt die Wernigeröderin. Genauso wie ihre Freundin Sabine Rödiger aus Bobbau hat sie sich vorgenommen, weiterhin viel über das Thema zu lesen. Beide haben am vergangenen Wochenende an einem Treffen mit ehemaligen Häftlingen im Außenlager Langenstein-Zwieberge teilgenommen.
Den Anstoß für das Projekt "Gegen das Vergessen" hatte ein spielerischer Jahrhundert-Rückblick gegeben, der zum Programm der Jahresendtage 1998/99 im Jugendhaus des Bistums Magdeburg gehörte. Die erschütterndsten Seiten der Geschichte hatten die Teilnehmer der Veranstaltung damals ausgelassen. Jugendreferent Markus Konkolewski lud dazu ein, sich für das Thema "Konzentrationslager" mehr Zeit zu nehmen als bei einer einzelnen kirchlichen Veranstaltung möglich ist und einen persönlicheren Zugang zu suchen als in der Schule üblich ist.
Schon bei ihrer ersten Zusammenkunft verabredeten die 16- bis 31-Jährigen, die sich zum Mitmachen entschlossen hatten, jeden Mittwoch zwischen 20 und 21 Uhr zu beten, füreinander, für das gemeinsame Projekt und für alle Menschen, die noch immer an den Folgen ihres KZ-Aufenthaltes leiden. Sie wollten versuchen, diesen Teil fremder und doch eigener Geschichte wahrzunehmen, zu akzeptieren und zu würdigen.
Dies geschah im Laufe des Jahres durch Diskussionen, die Lektüre zahlreicher historischer Veröffentlichungen, kreative Beiträge, einen Besuch in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen und durch Briefkontakte mit ehemaligen Häftlingen, die das Maximilian-Kolbe-Werk vermittelt hatten. Unvergesslicher Höhepunkt war für die Jugendlichen im vergangenen Sommer ein gemeinsames Wochenende mit 25 ehemaligen polnischen KZ-Insassen im Kloster St. Marienthal. "Wir waren überrascht, mit welcher großen Offenheit uns einige ehemaligen Häftlinge begegneten", berichtete die Merseburgerin Theresia Baumert anschließend. Beeindruckt war sie besonders von einem älteren Herrn, der ihr erzählte, dass er als Einziger aus seiner Familie das KZ Auschwitz überlebt hat. Dieser Mann spielte schließlich mit den Jugendlichen Frisbee. Ein Veterinärmediziner aus Warschau sagte ihnen, er habe zum ersten Mal seit 50 Jahren über die schrecklichen Ereignisse im Konzentrationslager gesprochen.
Zum Abschluss ihres Projektjahres haben die Teilnehmer eine Broschüre erstellt. "Das wiederholte Interesse von Außenstehenden ermutigte uns, auch ihnen etwas von unserem Engagement, unseren Erfahrungen, unserer Hoffnung aber auch von unserer Hilflosigkeit mitzuteilen", heißt es im Vorwort dieses Heftes.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 16.04.2000