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Wer war Pontius Pilatus

Passionsgeschichte

Pontius Pilatus ist die dritte Gestalt der Passionsgeschichte Jesu, der der Erfurter Neutestamentler Claus-Peter März in seiner Serie nachgeht. Anhand der Personen will er das historische Geschehen des Leidens und Sterbens Jesu durchsichtiger machen:

Folgt man den Passionsgeschichten, dann erscheint Pilatus im Prozess Jesu zwar als wankelmütig, letztlich aber irgendwie doch um ein gerechtes Urteil bemüht. Andere Texte in den Evangelien zeichnen ihn eher als brutalen Sachwalter römischer Interessen (vgl. Lk 13,1-5). Wer war dieser Pontius Pilatus?

Er war römischer Präfekt in jenem Teil des jüdischen Landes, der seit dem Jahr 6 v. Chr. direkt römischer Herrschaft unterstand: Idumäa, Samaria und Judäa mit Jerusalem als religiösen Zentrum. Bemerkenswert ist seine Amtszeit von immerhin zehn Jahren. Kaum einer seiner Vorgänger oder seiner Nachfolger war in dieser Unruheregion so lange im Amt wie Pilatus. Man wird in ihm deshalb weder einen haltlosen Opportunisten, noch einen Despoten ohne politisches Augenmaß sehen dürfen, sondern einen Beamten, der den Vorstellungen Roms entsprach und dessen Verwaltung als durchaus effektiv angesehen wurde. Er wird erst abgelöst, als man gegen ihn wegen eines überharten Vorgehens gegen die Samariter beim syrischen Legaten Vitellius Klage führt. Vitellius schickt ihn nach Rom, damit er sich vor dem Kaiser für sein Tun verantworte. Doch bevor Pilatus Rom erreicht hat, stirbt der Kaiser. Über das weitere Schicksal des Pilatus ist uns nichts bekannt.

Jüdische Stimmen beurteilen ihn negativ. Sie verweisen auf seine provokante Ablehnung jüdischer Sitten und Gebräuche. Als unnachgiebig, gewalttätig und geradezu boshaft schildert ihn der jüdische Philosoph Philo von Alexandrien. Die Tatsache, dass er als einziger römischer Präfekt Münzen mit heidnischen Symbolen prägen ließ und die Juden auf diese Weise provozierte, lässt ähnliche Vermutungen zu.

Pilatus residierte als Präfekt im Königspalast in Cäsarea am Meer. Zum Pascha aber zog er hinauf nach Jerusalem, um dort mit militärischer Präsenz alle Unruhen schon im Keim zu ersticken. Zugleich hielt er in Jerusalem Gericht, denn er war die oberste gerichtliche Instanz in Judäa, vor allem war ihm die Blutgerichtsbarkeit vorbehalten. Von daher bedurften die Hohenpriester um Kajaphas, wenn sie denn tatsächlich auf Jesu Hinrichtung aus waren, eines entsprechenden Urteilsspruchs des Präfekten.

Die Rolle des Pilatus beim Prozess Jesu ist dabei nicht klar auszumachen, denn sie wird von den Evangelisten ohne Zweifel positiv stilisiert. Pilatus hätte, wenn seiner Meinung nach tatsächlich römische Interessen bedroht gewesen wären, keineswegs gezögert, Jesus zum Tode zu verurteilen. Er dürfte aber ebensowenig bereit gewesen sein, sich von den Hohenpriestern für deren Zwecke benutzen zu lassen. Dies gilt um so mehr, als er aus seiner Ablehnung der jüdischen Gesetze und Gebräuchen kein Hehl machte und deshalb auch nicht indirekt für deren Auslegung als Richter in Anspruch genommen werden wollte.

Allem Anschein nach vermutete Pilatus hinter der Anklage der Hohenpriester innerjüdische Kontroversen und Lehrstreitigkeiten, die seiner Meinung nach keine Verhandlungsmaterie für ein römisches Gericht darstellten. Es erscheint auf diesem Hintergrund durchaus plausibel, dass er den Hohenpriestern entgegengehalten hat, er könne im Rahmen römischer Rechtssprechung bei diesem Angeklagten keinen Grund für eine Verurteilung ausmachen. Der Hinweis der Ankläger, sie hätten durchaus ein Gesetz nach dem er sterben müsse, passt ebenso in diesen Rahmen, wie die zynische Entgegnung des Präfekten, dann mögen sie ihn nach diesem, ihrem Gesetz richten (Joh 19,31f).

Doch trotz seiner Skepsis gegen die Anklage kann sich Pilatus letztlich dem politischen Druck der Anklage nicht entziehen und verurteilt Jesus von Nazaret als Aufrührer zum Tod am Kreuz.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 16 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 16.04.2000

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