Das Hinrichtungskommando
Passionsgeschichte
Das Exekutionskommando, das das Todesurteil Jesu mit der Kreuzigung vollstreckt, steht im Mittelpunkt des letzten Teils der Serie zur Passionsgeschichte des Erfurter Neutestamentler Claus-Peter März.
Der letzte Abschnitt der Leidensgeschichte wird vom römischen Exekutionskommando bestimmt - eine kleine Gruppe von etwa vier Soldaten mit einem Anführer. Ihr Tun wird in der Passionsgeschichte nur angedeutet, weil der damalige Leser das schreckliche Ritual aus eigener Anschauung kannte.
Der Gefangene, der zuvor bereits oft ausgepeischt worden ist, wird zunächst dadurch geschändet, dass er völlig entkleidet wird. Dann wird - so entnehmen wird antiken Kreuzigungsberichten - zunächst der Längsbalken des Kreuzes in die Erde gerammt, sofern er nicht an einem Richtplatz fest installiert ist. Danach wird der Delinquent am Querbalken angebunden oder angenagelt, mit diesem am Längsbalken hochgezogen und mit den Füßen daran befestigt.
Nun "hängt" der Todeskandidat am Kreuz, und dieses "Hängen" bringt in letztlich den Tod: Der Gekreuzigt versucht sich, um leichter atmen zu können, nach oben zu ziehen, doch seine Muskeln verkrampfen, er kann sich nicht lange halten, sinkt herab und sucht erneut durch erneutes Aufbäumen der Atemnot zu entgehen. Der Kreislauf wird schwächer, seine Kraft lässt nach, schließlich kann er sich nicht mehr halten, sinkt in sich zusammen und stirbt.
Es ist dieses langsame öffentliche Sterben, das die Kreuzigung von anderen Hinrichtungsarten unterscheidet. Man versuchte außerdem diesen Prozess durch spezielle "Hilfsmittel" noch zu verlängern. Die Soldaten brachten am Längsbalken einen "Sitzpflock" an, auf dem der Gekreuzigte sich ein wenig abstützen konnte, damit er länger in diesem aussichtslosen Kampf gegen das Sterben durchhielt. Nach einer bestimmten Zeit zogen sie dann entweder den Sitzpflock weg oder zerschlugen ihm die Beine, damit er sich nicht mehr nach oben stemmen konnte, und führten so den Tod herbei. Ein Ausgrabungsfund von 1968, der ein Ossuar (antike Urne) mit den Gebeinen eines Gekreuzigten zu Tage brachte, bei dem die beiden Fersenbeine durch einen 11,5 Zentimeter langen Nagel durchbohrt sind, lässt auf seine Weise die brutale Grausamkeit der Kreuzigung ahnen.
Auf diesem Hintergrund wird verständlich, dass ein vornehmer Römer wie der Anwalt Cicero die Kreuzigung als "grausamste und fürchterlichste Todesstrafe" bezeichnet und sie als Mittel einer "zivilen Gerichtsbarkeit gegenüber römischen Bürgern ablehnt. Als Maßnahme der Disziplinierung und Abschreckung in den Provinzen hat er sie aber stillschweigend akzeptiert.
In diesem Sinne haben schon die Perser die Strafe der Kreuzigung im großen Stil angewandt, durch die Phönizier ist sie Mittelmeerraum verbreitet worden. Kriege und Aufstände waren immer von Massenkreuzigungen begleitet. So ließ etwa Alexander der Große bei der Eroberung von Tyros 2000 Männer kreuzigen. Die Römer wandten die Kreuzigung nur gegen Sklaven und als Disziplinierungs- und Abschreckungsmittel in den Provinzen an. Bei der Belagerung von Jerusalem im Jahre 70 n. Chr. kreuzigten die Römer alle Gefangenen - es waren so viele, dass die Zahl der Kreuze nicht ausreichte.
Es ist verständlich, dass es für die frühen Christen schwer war, einen gekreuzigten Messias zu verkünden. Zu deutlich stand ihnen selbst und ihren Zeitgenossen die unglaubliche Erniedrigung der Kreuzigung vor Augen, als dass sie sie mit einer neuen Heilsinitiative Gottes hätten verbinden können. In diesem Sinne schreibt Paulus an die Korinther: "... wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit." (1 Kor 1,18-25).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 23.04.2000