"Einen gerechten Krieg gibt es nicht"
Weihbischof Marx zu friedensethischen Fragen
Erfurt (pw) - "Das Fundament des Friedens ist die Gerechtigkeit". Mit diesen Worten eröffnete Weihbischof Reinhard Marx aus Paderborn am 18. Dezember einen Vortrag vor Thüringer Landes- und Bundespolitikern im Erfurter Priesterseminar. Eingeladen hatten das katholische und das evangelische Büro. Das Thema des Abends hieß "Gerechter Friede in einer Welt zunehmender Gewalt - friedensethische Überlegungen in einer schwierigen Zeit". Co-Referent war der evangelische Landesbischof Christoph Kähler. Weihbischof Marx forderte "neue Antworten" auf die Situation nach der Beendigung des Ost-West-Konfliktes, einen langen Atem und langfristige Friedensstrategien. Gewalt sei das letzte Mittel, Frieden zu schaffen, bliebe aber immer ein Übel. "Einen gerechten Krieg gibt es nicht", erteilte Marx allen Versuchen eine Absage, mit Gewalt Konflikte zu bewältigen oder gar zu lösen. "Das funktioniert nicht", so der Weihbischof. Wie im Friedenspapier der katholischen Bischöfe ausgeführt, komme es vielmehr darauf an, neue Verhältnisse zu schaffen. Gerechtigkeit sei hier das Schlüsselwort. Als Beispiele nannte Marx die Weiterentwicklung des Völkerrechts auf der Grundlage der Menschenrechte und den Ausbau des internationalen Strafgerichtshofes. "Dass ein Milosevic nicht straflos davonkommt, ist ein wichtiges Signal." Für die Zukunft sei entscheidend, die Interessen der Armen einzubringen und einzuklagen, führte Marx aus. In diesem Punkt finde man sich ganz auf der Linie der Bibel, die zwar keine Handlungsrezepte, wohl aber Verhaltensmaßstäbe für Frieden und Gerechtigkeit böte. Auch die Auseinandersetzung mit Geschichte und Schuld sei für eine friedlicher werdende Welt unverzichtbar. "Die Schlussstrich-Mentalität bringt nur neue Gewalt und Ungerechtigkeit hervor", so Marx, der praktische Solidarität mit den Opfern von Gewalt einforderte.
Als konkrete Ziele kirchlichen Friedenshandelns benannte Landesbischof Christoph Kähler in seinem Referat die Stärkung der internationalen Friedensordnung - "Das Waffenmonopol muss bei der UNO liegen!"-, den Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung sowie Rüstungsbegrenzung und -kontrolle. Kähler machte den europäischen Politikern Mut, gemeinsam Friedensziele zu verfolgen und nationale Isolationen in dieser Frage zu vermeiden. Zur Frage, ob Religion nicht selbst Ursache von Gewalt sei, sagte Landesbischof Kähler: "Ein Missbrauch der Religion ist immer möglich. Wir brauchen daher so etwas wie eine institutionalisierte Selbstkritik." Konkret bedeute das eine "kritische Theologie", die zu ethischen Fragen klar Stellung beziehe.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 03.01.2002