Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Bistum Dresden-Meißen

Gute Lernbedingungen beugen Gewalt vor

Dresdner Studien

Dresden (tg) - Durch gute Lernbedingungen an den Schulen kann nach Ansicht des Dresdner Erziehungswissenschaftlers Professor Wolfgang Melzer die Gewalt unter Jugendlichen eingedämmt werden. "Schulentwicklung trägt die Gewaltprävention im Huckepack", sagte er bei einem Vortrag im Bischöflichen St.-Benno-Gymnasium in Dresden. Erst wenn den Schülern fachliches Wissen, soziales Verhalten und Selbstbewusstsein gleichermaßen vermittelt würden, führe dies zum Bildungserfolg und schränke zugleich die Ursachen für Gewalt ein.

Zwar habe die Familie den größten Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. "Ich sehe aber keinen Ansatz dafür, wie man die Familie von außen noch besser beeinflussen kann", sagte Melzer. "Der wichtigste Ort für die Gewaltprävention ist und bleibt deshalb die Schule." Ein weiterer Ansatzpunkt sei die Jugendsozialarbeit.

Für wichtig halte er insbesondere die Kommunikation an der Schule. Schüler und Lehrer müssten sich regelmäßig über ihre Rolle verständigen. Dafür müsse beispielsweise das Klassenleiterprinzip an Hauptschulen gestärkt werden. Ein bewährtes Mittel seien auch flexible Klassengrößen und das Lernen in wechselnden Teams. Für die Lehrer sei Teamarbeit ebenso wichtig. Dagegen führe eine Reduzierung der Stundenzahl für Lehrer nicht unbedingt zu einem besseren Schulklima, so Wolfgang Melzer.

Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Schulangst vielerorts erheblich sei. Zwar reagiere keineswegs jedes Kind darauf aggressiv. Doch könne dies gewalttätiges Verhalten fördern. Melzer: "Das Hauptproblem unserer Schule ist, dass sie nur eine Leistungsschule, aber keine humane Leistungsschule ist."

Wo dagegen das Schulklima stimme, die Lehrer hohe Professionalität zeigten, Lehrer und Schüler demokratische Beteiligungsmöglichkeiten hätten, dort hätten die Schüler weniger Angst, zeigten eine positive Selbsteinschätzung und lernten mit mehr Freude. Dies führe zu einem höheren Leistungsniveau.

Seit 1993 auch in Sachsen durchgeführte Studien zeigten deutliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Aspekten abweichenden Verhaltens und Gewaltbereitschaft, so Melzer. "Das geht mit dem Stören im Unterricht und dem Schuleschwänzen los." Das Problem sei jedoch stets, dass die Entwicklung zum Täter nicht vorherzusagen sei. Lediglich rückblic- kend, wenn Schüler bereits Gewalt ausgeübt hätten, sei eine Ursachenkette erkennbar. Melzer: "Deshalb sollten schon ers-te Anfänge den pädagogischen Blick bei den Lehrern schärfen." Den typischen Täter gebe es nicht. Untersuchungen zeigten, dass es bei jugendlichen Tätern einen häufigen Wechsel gibt. In Abhängigkeit von der konkreten Situation könne sich hier schnell etwas ändern. In der Mehrzahl seien Opfer zugleich auch Täter und umgekehrt. Eine vorschnelle Etikettierung von Schülern könne daher negative Effekte zur Folge haben. Beunruhigend sei, dass der Anteil von Schülern, die aggressiv gegenüber Lehrern reagierten, auf mittlerweile 34 Prozent angewachsen sei. Dies, so Wolfgang Melzer, sei Ausdruck dafür, dass die Lehrer offensichtlich ein System repräsentieren, "von dem die Schüler meinen, dass es nicht ihre Interessen vertritt".

Die Mehrzahl der Täter sei männlich. Jedoch auch die Mehrzahl der Opfer von Gewalt. Jährlich würden einer Studie zufolge bundesweit rund 175 000 Schüler zu Tätern. Das sind knapp vier Prozent. Dagegen würden rund 350 000 Schüler jährlich als Opfer von Gewalttaten registriert. Das sind Melzer zufolge rund sieben Prozent.

Untersuchungen zeigten, dass Schüler als häufigste Form von Gewalt Beschimpfungen und Beleidigungen wahrnähmen, so Melzer. Danach folgten Telefonterror, die Beschädigung von Sachen und die Bedrohung mit Schlägen. Am seltensten werde absichtliches Schlagen wahrgenommen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 18 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 30.04.2000

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps