Schlechten Menschen geht es immer gut!?
Pater Damian Meyer OP (gest. 2019) über die Frage, warum es den Gerechten oft schlecht geht
"Du weißt ja: Schlechten Menschen geht es immer gut!" Diese scherzhafte Antwort auf die Frage nach dem Ergehen haben wir schon alle öfter erhalten und - umgekehrt - auch gegeben. Dahinter steckt wohl zunächst die Erfahrung: Wenn es um Karriere und wirtschaftlichen Erfolg geht, tun sich die guten und ehrlichen, unbestechlichen Menschen schwerer. Der Ehrliche ist oft der Dumme.
Die Redensart hat aber auch noch einen umfassenderen Hintergrund: Ein guter und aufrechter Mensch zu sein, zahlt sich im Leben oft nicht aus in der Münze Glück bei allen Angelegenheiten, in Gesundheit, Wohlergehen. Der Dichter Franz Werfel schildert einen extremen Fall aus dem spanischen Bürgerkrieg: Der vielfache Mörder Abreojos entgeht durch unglückliche Umstände einem Erschießungskommando. Die Kugeln treffen ihn nicht. Es gelingt ihm, aus dem Massengrab zu entkommen. Er wird aber kurz danach wieder aufgegriffen und soll jetzt an einem Baum erhängt werden. Auch dieses Mal stirbt er nicht, denn der Strick reißt. Er wird begnadigt und beginnt eine militärische Karriere. Und zur gleichen Zeit werden Hunderte von unschuldigen und guten Menschen erschossen. Franz Werfel beginnt seine Geschichte mit den Worten: "Dass es den Gerechten übel geht auf Erden und dass die Missetäter meist noch zu Lebzeiten ihren feinen Lohn dahinhaben, diese unerfreuliche Wahrheit wird von der Bibel nicht verschwiegen. Eine harte Nuss bedeutet sie freilich für die Gläubigen und Glaubensbereiten ...".
In der Tat, schon für die Dichter und Beter der alttestamentlichen Psalmen war das ein Problem. Sie beklagen sich bei Gott darüber, beispielsweise "Ich aber - ... beinahe wäre ich gefallen. Denn ich habe mich über die Prahler ereifert, als ich sah, dass es diesen Frevlern so gut ging." (Ps. 73,2-3). Kümmert es Gott nicht? Doch, aber er hat einen langen Atem. Die Italiener sagen: Gott rechnet nicht jeden Samstag ab.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.05.2000