Nicht immer gleich überreagieren
Dogma
Dresden (tg) - Ist dieser Film blasphemisch?" So fragte eine Kritikerin der Wochenzeitung Die Zeit, als der Streifen "Dogma" des US-Amerikaners Kevin Smith unlängst in den deutschen Kinos anlief. "Nicht doch", so antwortete sie sich selbst. "Wer so distanzlos spottet, der hängt am Glauben wie der Junkie an der Nadel." Und sie gelangte schließlich zu dem Urteil: "Dieser Film ist kirchentagsreif." Zur gleichen Zeit hagelte es bei der Katholischen Filmkommission Protestbriefe. Mit diesem Film werde dem katholische Glauben ein "mörderischer Tiefschlag" versetzt, er übertreffe alles, was es je an Blasphemie gegeben habe.
Was in der Kunst nach Verhöhnung des Glaubens aussieht, bewegt die Gemüter mit unverminderter Heftigkeit. Nach einer etwas ruhigeren Phase scheint sich die Auseinandersetzung mit Blasphemie in der Kunst derzeit zuzuspitzen. Zu diesem Urteil kam der katholische Theologieprofessor und Filmwissenschaftler Reinhold Zwick (Freiburg) bei einer Vortragsveranstaltung der Katholischen Akademie im Dresdner Haus der Kathedrale. Reinhold Zwick, der auch der Katholischen Filmkommission für Deutschland angehört, empfiehlt einen gelasseneren Umgang mit Blasphemie. "Die Forderung mancher Christen nach einer Totalzensur halte ich für den falschen Weg", meint er. Die Freiheit der Kunst gehöre zu einer pluralen Gesellschaft.
Allerdings habe diese auch Grenzen; und zwar dort, wo Menschen in ihren religiösen Empfindungen verletzt werden. Diese Grenzen sollten Christen deutlich markieren und Protest einlegen. "Hier tut eine überzeugende Stellungnahme in sachlicher Form not." Das könnte zum Beispiel in einer offenen und fairen Diskussion zwischen Fans und Kritikern eines Films geschehen. Zwick ist überzeugt davon, dass christliche Positionen mehr Beachtung fänden, wenn deren Verfechter Blasphemie in der Kunst zuvor offen und angstfrei zur Kenntnis nähmen. "Wir sollten eine gewisse Gelassenheit entwickeln, diese Angriffe zu ertragen und nicht gleich wütend zurückschlagen."
Auch der Protest von Christen gegen Blasphemie in der Kunst sollte sich nach seiner Ansicht an die Gebote der Bergpredigt Jesu als Richtschnur halten. Dies hätten manche Christen wie jüngst in Heilbronn offenbar vergessen, als sie gegen das Theaterstück "Corpus Christi" des amerikanischen Pulitzer-Preisträgers Terrence McNally protestierten. Nach Androhung von Bombenanschlägen hatten die Aufführungen des Stückes, in dem Jesus als Homosexueller dargestellt wird, nur noch unter Polizeischutz stattfinden können. Anstatt Gewalt- und Tötungsphantasien im Namen des Chris-tentums zu entwickeln, empfiehlt Zwick ein kreatives und gewaltloses Reagieren. Wer sich mit blasphemischen Filmen sachlich auseinandersetzen wolle, müsse sich diese zumindest auch ansehen, so Reinhold Zwick weiter. Schaden könne dies nicht - im Gegenteil: "Blasphemie ist ein Belastungstest für unser innerliches Ja zu Jesus."
Christen sollten heute auch nicht Zuflucht im Schutz des Glaubens durch den Gesetzgeber suchen. Statt den Blasphemieparagrafen 166 des Strafgesetzbuches zu bemühen, müssten sie durch überzeugende Darstellung ihres Glaubens in Wort und Tat beeindrucken. Gefragt werden sollte stets auch nach den Motiven der Produzenten von blasphemischen Kunstwerken, so Zwick. "In der Blasphemie kristallisieren sich mitunter Leidenserfahrungen mit Religion und Glauben."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.05.2000