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Bistum Dresden-Meißen

Trotz Leid, keinen Hass im Herzen

Prag

Prag / Schmochtitz (jak) - Um die Zeit des Dritten Reiches und die Greuel in den Konzentrationslagern wissen viele Menschen. Direkte Begegnungen mit Augenzeugen aber werden immer seltener. In Prag kam es am 7. Mai zu einem Treffen mit Artur Radvansky, der sechs Jahre in sechs Konzentrationslagern überlebte. Artur Radvansky sprach zu den Teilnehmern einer Studienfahrt in das jüdische Prag, zu der der Arbeitskreis Judentum des Bischof-Benno-Hauses Schmochtitz eingeladen hatte. Begegnungen dieser Art sind ihm wichtig, im Rahmen der Aktion Sühnezeichen besucht er so seit etwa 1990 beispielsweise immer wieder Deutschland, um vor Schülern und anderen Interessierten über die schreckliche Zeit und sein eigenes Schicksal zu berichten. Artur Radvansky nennt dies "Warnen mit offenem Herzen". Wörtlich betonte er im Anschluss: "Ich habe manches mitgemacht, aber ich habe keinen Hass im Herzen."

Sein Leidensweg begann in den letzten Friedenstagen des Jahres 1939. Damals verhalf er deutschen Flüchtlingen zur Flucht in das noch freie Polen. Von den Deutschen verhaftet kamen er und sein Vater - Artur Radvansky war noch nicht volljährig - ins Konzentrationslager Buchenwald, wo sein Vater bald in den Armen des Sohnes verstarb. Sie gehörten zu den Häftlingen, die mit der zynischen Abkürzung RU versehen wurden: "Rückkehr unerwünscht". Eine Reihe guter Fügungen ließ diese Rückkehr dann doch geschehen, allerdings erst nach sechs leidvollen Jahren.

Geholfen hatte ihm beispielsweise der Deutsche Walter Kremer, selbst in Buchenwald inhaftiert. Der gelernte Schlosser hatte sich autodidaktisch medizinische Kenntnisse beigebracht, so war er in der Lage, vielen zu helfen, auch den RU-Häftlingen, die keinerlei gesundheitliche Betreuung erfahren durften. "Zu uns kamen nur die Leichenträger", erinnert sich Artur Radvansky. Er ist sich sicher, dass er es Walter Kremer zu verdanken hat, die erste KZ-Zeit überlebt zu haben: "Als ich auf der Todes-liste stand, brachte er mich in die Krankenkammer." Kürzlich wurde Walter Kremer von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geehrt. Weitere Leidensstationen von Artur Radvansky waren Sachsenhausen, Ravensbrück, Auschwitz und nach der Evakuierung dieses Vernichtungslagers am 17. Januar 1945 Mauthausen. Nach der Befreiung stand er ganz allein da, ja er "hatte Angst in ein Leben in Freiheit zurückzukehren". Inzwischen sind viele Jahre vergangen, Artur Radvansky ist heute vierfacher stolzer Großvater. Die jüdische Gemeinde zu Prag ist seine religiöse Heimat und so konnte er vom langsamen Wachsen jüdischen Lebens in der tschechischen Hauptstadt berichten. Abschließend betonte er, dass es ohne gegenseitige Akzeptanz nicht mehr möglich sei, in Frieden zusammenzuleben. Und für diese Akzeptanz möchte er werben. Diesem Anliegen trägt der Arbeitskreis Judentum am Bischof-Benno-Haus ebenso Rechnung. In monatlichen Zusammenkünften kommen die verschiedensten Themen zur Sprache, von den Juden in der Oberlausitz bis hin zur Gottesfrage im jüdischen Denken.

Kontakt: Bischof-Benno-Haus, Schmochtitz Nr. 1 in 02625 Bautzen, Tel. (035 935) 2 20

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 21 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.05.2000

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