Weder kalt noch heiß

Die Sendschreiben an die sieben christlichen Gemeinden, die sich in den ersten Kapiteln der Offenbarung des Johannes finden, sind so etwas wie Visitationsbescheide des erhöhten Christus. "Ich kenne deine Werke": Ich weiß Bescheid, wie es um euch steht. Wie würde wohl ein Visitationsbericht Christi an uns heute lauten? Sicherlich stünde darin auch viel Positives und Ermutigendes, aber ich glaube, das Wort an die Gemeinde in Laodizea würde auch auf viele von uns zutreffen: "Ich kenne deine Werke. Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien" (Offb 3,15-16).

Ein hartes Wort - aber es kennzeichnet die Einstellung vieler Menschen heute, innerhalb und außerhalb der Kirche. Aus falsch verstandener Toleranz und aus Indifferenz ist einem vieles gleich-gültig. Man will sich nicht festlegen. Man kann sich über einen guten Gedanken, eine glänzende Idee oder über eine ermutigende Perspektive ebensowenig begeistern, wie über gemeine Worte, schändliche Gedanken oder destruktive Ansichten entrüs-ten.

Die christliche Gemeinde wird dann nicht als Frage und Herausforderung an die Welt erfahren. Sie geht den "goldenen Mittelweg" zwischen Bekennen und Verschweigen. Sie redet so ausgewogen, dass es keinem weh tut und geht den selbstzufriedenen Weg des geringsten Widerstands. Eine wohltemperierte Kirchlichkeit, die nicht viel kostet und nicht aneckt auf dem schmalen Weg der Nachfolge. Frage: Sind wir nicht alle angesteckt von dieser Haltung, die man auch Trägheit nennen könnte? Der englische Schriftsteller Evelyn Waugh hat diese Trägheit die unausrottbare Sünde der Spätmoderne genannt.

Pater Damian Meyer