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Aus der Region

Bildhauerin Elly-Viola Nahmmacher gestorben

Nachruf:

Die Bildhauerin Elly-Viola Nahmmacher ist tot. Am 27. Mai 1913 in Gera geboren, starb sie am 5. Mai 2000 in Krombach bei Weimar und wurde im ostthüringischen Greiz beigesetzt, der Stadt, die für ihren Lebensgang und ihr künstlerisches Werk am meisten bedeutete, ja sich in unserem Seinsverständnis mit ihrem Namen verband.

Aus unbemitteltem Elternhaus stammend, fand sie den ihr keineswegs vorgebahnten Weg zur Kunst sowohl durch eine Reihe von Glückskonstellationen - sie selbst würde hier lieber von einem glücklichen Schicksal sprechen - als auch durch ein frühes Ahnen und einen bis ins hohe Alter ungebrochenen Lern- und Gestaltungswillen. Greiz, Freiburg im Breisgau, Chemnitz und wiederum für die entscheidenden Jahrzehnte Greiz heißen ihre Lebensstationen. Zwar hat sie Lehrer besessen, nie aber eine akademische Ausbildung erfahren. Nationalsozialismus wie Nachkriegszeit hinderten und zerschnitten ihren künstlerischen Werdegang. Immer wieder musste sie die provinzielle Enge und den bedrohlichen und törichten Kulturzwang der DDR durch eigene Kraft überwinden. In nie versiegender Freude am Hervorbringen von Formen hat sie nahezu jedes Material gestaltet, die unterschiedlichsten Metalle, Kunststoff, Keramik, Stein wie Edelstein. Ihre höchste Meisterschaft aber erreichte sie in ihren Holzbildwerken. Früh schon wandte sie sich der religiösen Kunst zu. Viele Kirchen in Thüringen, Sachsen, aber auch in Süddeutschland sind von ihr geschmückt und ausgestaltet worden. Maria, Christus, der verlorene Sohn, David, Jakob, Engel, das sind ihre Hauptmotive, die in immer variierter, zugleich vertrauter und überraschender Gestalt wiederkehren. Auch liebte sie es, Bildfolgen zu gestalten, Kreuzwege, aber auch andere Zyklen wie das Marienleben. Wiewohl protestantisch aufgewachsen wurde sie von der Gestalt Mariens früh angezogen, die für ihr Leben und Werk ganz im katholischen Sinne und als Symbol der Göttlichkeit wie des Menschlichen Bedeutung gewann. Unser Bild zeigt eine Pieta aus Thujaholz, die 1982 entstanden ist. Wie in allen ihren Holzwerken hebt Elly-Viola Nahmmacher die Maserung hervor, macht sie die feinsten Holzadern sichtbar. Nie verfährt sie dabei willkürlich, sondern bringt die von ihr gewollte Form in Einklang mit der Struktur des Holzes, so dass beide größte und geheimnisvolle Ausdruckskraft gewinnen. Ein wichtiges nahmmachersches Gestaltungselement ist die Hohlform, die in unserer Plastik realistisch gedeutet werden kann und doch weit mehr verkörpert. Das Gesicht Mariens scheint leer, weil es im Holz ausgespart ist und dennoch spricht es zu uns in einer erfüllenden, von Worten nicht erreichbaren Eindringlichkeit.

Ein Satz Paul Claudels, den Elly-Viola Nahmmacher sehr schätzte, mag das verdeutlichen: "Was ist ein herausgemeißelter Leib, verglichen mit einer hineinzumuldenden Seele und dem heiligen Leerraum, womit das ehrfürchtige Herz vor seinem Gott zurückweicht?" Der tote auf die Knie der Mutter gebettete Sohn ist wie in vielen Krippendarstellungen der Künstlerin gestaltet: Geburt und Kreuz werden darin eins. Aber auch die Auferstehung leuchtet hervor, wie ja die nahmmacherschen Kreuzesdarstellungen weniger auf den "Schmerzensmann" als auf den Auferstandenen weisen. Maria erscheint als die große Klagende, die sich über den Sohn beugt und zugleich ist sie tröstende Mutter, die ihre Kraft aus ihrem göttlichen Wesen erfährt. Christus ist heimgekehrt, in sein Reich, zu seiner Mutter.

Uwe Grüning

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 22 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.05.2000

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