Erfahrungen in der Betreuung Schwerstkranker diskutiert
Sterbebegleitung
Dresden (tg) - Für die Sterbebegleitung, sagt Dr. Barbara Schubert, leitende Ärztin der Palliativstation im Dresdner St.-Josef-Stift, braucht man vor allem eines: viel Zeit. Das ist nicht zwischen zwei Spritzen und einmal waschen möglich." Diese Erfahrung haben auch die Jugendlichen gemacht, die seit September des vergangenen Jahres ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Caritas absolvieren, viele davon in Einrichtungen der Altenpflege. Das Problem ist: Wenn die Leute im Sterben liegen, kann niemand von den Pflegerinnen bei ihnen bleiben", sagt die 19-jährige Christina Walde. Es gibt nicht genügend Personal. Deswegen sind wir FSJ-ler wichtig." Julia Gömbi, 19, sagt: "Wir können länger mit ihnen reden, ihnen das Gefühl geben, dass sie gebraucht werden. Wir sind wie Ersatz-Enkel." Während eines Bildungsseminars haben sich die Jugendlichen unter anderm in der Palliativstation, wo schwerstkranke Sterbende betreut werden, intensiver mit dem Thema Tod beschäftigt.
In Sozialeinrichtungen unterstützen die Caritas in Sachsen 40 Jugendliche, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Sie bedeuteten eine wichtige Unterstützung, sagt Norbert Waldheim, FSJ-Referent der Caritas. Jährlich gebe es bis zu 300 Bewerbungen auf die FSJ-Stellen. Bei einem zu befürchtenden Wegfall des Zivildienstes könne das FSJ allein die entstehende Lücke in den Sozialeinrichtungen nicht schließen. Daher habe die Caritas erste Überlegungen zum Aufbau eines Freiwilligendienstes angestellt.
Das Angebot an Einrichtungen zur Sterbebegleitung hat sich in Sachsen vergrößert, der Bedarf aber ist nach wie vor hoch. 1994 habe es im Freistaat nur ein stationäres Hospiz gegeben, heute seien es drei, sagt die Referentin für Hospizdienst der Caritas, Maria Ziegenfuß. Die Zahl der ambulanten Hospizdienste vergrößerte sich im selben Zeitraum von zwei auf gegenwärtig 17. Außerdem gebe es mittlerweile sieben Palliativstationen in Sachsen. 1994 sei es nur eine gewesen. Die neueste Palliativstation ist das "Clara-Wolff-Haus" des Dresdner St.-Josef-Stiftes, das am 23. März eingeweiht wurde.
Problem für die ambulanten Hospizdienste sei die nicht geregelte Finanzierung, so Maria Ziegenfuß. In den Hospizdiens-ten arbeiten vorwiegend Ehrenamtliche, die jedoch von Fachpersonal geschult werden müssen. Zuschüsse gebe es vom Bund, vom Land, von Wohlfahrtsverbänden und Stiftungen. Der Aufwand zur Besorgung des Geldes verschlinge jedoch einen wertvollen Teil der Hospizarbeit.
Ambulante Hospizdienste geben Sterbenden und Angehörigen, von denen sie gepflegt werden, Hilfe durch Gespräche, Beratung und Unterstützung bei der Betreuung. "Unsere Telefonnummer können die Angehörigen jederzeit anrufen - das gibt ihnen schon mehr Sicherheit", sagt Schwester Fabiana vom Christlichen Hospizdienst Dresden. Dieser Hospizdienst hat im vergangenen Jahr 179 Sterbende betreut, so Dr. Barbara Schubert. Etwa 40 Prozent von ihnen konnten dadurch zu Hause ihr Leben abschließen.
In der Regel sterben in Sachsen 80 bis 90 Prozent der Menschen in Einrichtungen, obwohl mehr als 90 Prozent wünschen, dies zu Hause zu können. Die Betreuung durch Hospizdienste, in stationären Hospizen oder auf der Palliativstation dürfe nicht mit aktiver Sterbehilfe verwechselt werden, betont Barbara Schubert. "Die letzte Spritze ist für uns nicht die Lösung. Zu guter Begleitung gibt es keine Alternative."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.05.2000