Seit zehn Jahren im Bistum Görlitz tätig
Familienbund
Das Engagement für die Familien, um so zur Gestaltung der Zukunft der Gesellschaft beizutragen, hat sich der Katholische Familienbund im Bistum Görlitz seit seiner Gründung auf die Fahnen geschrieben. Ein Schwerpunkt ist dabei die Sorge um so genannte "Geringverdiener-Familien", und ein Beispiel dafür ist die Geschichte von Cornelia K., die in diesem Artikel erzählt wird.
Am Samstag, 27. Mai, feiert der Familienbund im Bistum Görlitz sein zehnjähriges Bestehen. Deshalb wird es an diesem Tag im Pfarrheim der Kathedrale St. Jakobus in Görlitz einen Diözesantag geben. Beginn ist um 10 Uhr. Um 10.30 Uhr wird Professor Karl Lenz (Dresden) einen Vortrag "Zur Situation brandenburgischer und sächsischer Familien zehn Jahre nach der Wende" halten. Nach der anschließenden Diskussion beginnt um 12.15 Uhr die Mittagspause. Es folgt die Beratung von Verbandsinterna. Der Diözesantag endet um 14.30 Uhr.
Cornelia K. hat Sorgen. Ist es heute ein Luxus, Kinder zu haben? Können sich nur diejenigen Kinder leisten, die gut verdienen? So fragt sie sich schon einige Zeit. Seit sich ihr drittes Kind, heute ein Vierteljahr alt, angekündigt hatte, hat sie die Frage umgetrieben, wie sie es als Familie finanziell schaffen können. Ihr Mann war früher im Kraftwerk tätig, dann arbeitslos und ist jetzt in einer Umschulung. Ein Sohn geht zur Schule, will Abitur machen, der andere macht in München eine Lehre, weil er hier einfach keine Lehrstelle finden konnte. Cornelia K. selbst ist Zahntechnikerin und stand vor der Frage, ob sie Erziehungsurlaub - "das ist kein Urlaub", meint sie, "sondern ein anstrengender 24-Stunden-Job, den ich gern macht, der aber mit 600 Mark Erziehungsgeld unterbezahlt ist" - nimmt oder das Kind gleich wieder zur Betreuung weggibt, um zu verdienen.
Cornelia K. hat sich für das Kind entschieden, das sei wichtiger als Geld, denn ihr ist bewusst, wie wichtig die ersten Lebensjahre für die Entwicklung des Kindes sind. Und sie spürt die innige Verbindung mit dem Kind, die sie sonst nicht aufbauen könnte, wenn sie berufstätig wäre. Aber sie wusste auch, dass schwierige Zeiten auf sie zukommen würden. Es war da besonders die Angst, wenn der Ehemann keine Arbeit findet und auswärts welche annimmt, dann womöglich wochenlang weg ist - welche Ehe hält das schon aus?
"Ich habe das Gefühl, dass unsere Familie bestraft wird, weil wir uns für das Leben unseres Kindes entschieden haben", sagt sie. Und Angst macht krank, das haben sie und ihr Mann am eigenen Leibe zu spüren bekommen. "Warum werden wir als Mütter und Familien so entwürdigend behandelt? Es wird uns Angst gemacht, nicht mehr für die Zukunft unserer Familien und Kinder sorgen zu können, und das macht mich nicht traurig sondern wütend." Ihr Trost: "Sie können mir nicht noch mehr wegnehmen - da ist nichts mehr".
Einkaufen geht sie nicht mehr gerne, es macht keinen Spaß mehr. Gekauft wird nur, wenn etwas kaputt gegangen ist. Gut getan hat ihr, dass Freunde und Bekannte geholfen haben, mit gebrauchter Kinderbekleidung, einem Wickeltisch, einem Kinderwagen. Gedanken an Urlaubsreisen lässt sie nicht zu. Sie ist schon froh, wenn sie mal jemanden besuchen können. Nun ist Cornelia K. auch so weit, dass sie sagt, sie geht mit weg aus Görlitz, wenn ihr Mann anderswo Arbeit findet.
Schmerzlich war der Gang zum Sozialamt. Was sie besonders ungerecht findet, ist die Tatsache, dass das Kindergeld, das ja für die Kinder bestimmt ist, mit auf das Einkommen der Eltern angerechnet wird. Da könne es noch so sehr erhöht werden, für Sozialhilfeempfänger schlägt sich das nicht nieder. "Wir müssen uns vom Kindergeld mit ernähren, und das tut mir weh", sagt sie und hat ein schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber, die ja auch ihre eigenen Bedürfnisse haben wie Schulbedarf, Sportvereine, Klassenfahrten, Geburtstagsfeiern. Verschiedene Versicherungen kann die Familie nicht mehr halten, kulturelle Veranstaltungen sind passé. Auch Kontakte zu Freunden leiden darunter, denn für eigentlich selbstverständliche Dinge wie ein Geburtstagsgeschenk oder eine Essenseinladung fehlt das Geld. Und das bringt soziale Ausgrenzung. Auch die Ökosteuer bringt sozial schwachen Familien nur eine zusätzliche Belastung, für die es keinen Ausgleich gibt.
Doch trotz aller Sorgen, die sie hat, strahlt Cornelia K. eine Gelassenheit und innere Freude aus. Immer hatte sie die Gewissheit: Es ist da einer, der beschützt dich, sagt sie. "Und die kleine Elisabeth hat uns wieder neue Hoffnung gegeben." Und deshalb kann sie kämpfen, auch wenn sie es erst lernen musste. Sie steckt nicht auf. Hat Briefe geschrieben: an den Petitionsausschuss des Bundestages, an Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, an den SPD-Bundestagsabgeordneten Christian Müller und darum gebeten, sich in allen entsprechenden Gremien für eine angemessene finanzielle Ausstattung von Familien einzusetzten. Cornelia K. ist zum Katholischen Familienbund gegangen und zur evangelischen Frauen- und Familienarbeit, sie war beim evangelischen Bischof Klaus Wollenweber und hat sich beim katholischen Bischof Rudolf Müller angemeldet. Meist seien ihre Gesprächspartner betroffen, wollen sich einsetzen, aber gebracht habe es bisher noch nichts. Der Kirchenkreis Görlitz hat ein Votum verabschiedet, das wieder an verschiedene Stellen weitergeleitet wurde, ebenso die Frauenarbeit, und die Kirchenleitung wird sich damit befassen, um, so meint Bischof Wollenweber, die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen mit der Weiterarbeit zu beauftragen.
Cornelia K. will weiter kämpfen, und das nicht nur für sich. Mit ähnlich Betroffenen würde sie auch eine Selbsthilfegruppe gründen. Sie will eine Verbesserung jetzt oder wenigstens für die Generation ihrer Kinder erreichen, "dann würden wir auch wieder Enkelkinder kriegen". Und "wenn die Kirche sich mehr für das Leben und die Familien einsetzen könnte, würden auch nicht so viele abtreiben müssen, meint sie. "Wenn die Familie als kleinste Zelle der Gesellschaft kaputt geht, zerstört wird, dann geht auch die Gesellschaft kaputt."
Kontaktadresse:
Katholischer Familienbund, Mühlweg 3,
02826 Görlitz;
Tel./Fax: (0 35 81) 40 11 54.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.05.2000