Die Reliquien der Kreuzigung
Unterwegs in Rom
Sie liegt nicht weit von St. Johannes im Lateran und gehört wie diese zu den sieben römischen Pilgerkirchen: Santa Croce in Gerusalemme, die Kirche zum Heiligen Kreuz in Jerusalem. Ihre Gründung geht, wie die mancher Sakralbauten in der Ewigen Stadt, auf eine Legende zurück. Kaiser Konstantin, so heißt es, ließ die von seiner Mutter Helena aus Palästina mitgebrachten Kreuzesreliquien in der Aula eines prächtigen römischen Palastes - oder war es gar ein eigens gebautes Kirchlein? -aufbewahren. Die Anlage verfiel, bis Papst Lucius II. im Jahr 1144 an derselben Stelle eine Basilika errichtete.
Im 18. Jahrhundert wurde das Gebäude nach allen Regeln der Kunst barockisiert. Die elegant geschwungene Fassade ist ebenso wie die elliptische Vorhalle vorzüglicher römischer Spätbarock. Allerdings, der Campanile und der schöne Mosaikfußboden im Innern stammen noch aus dem Hochmittelalter.
Am Ende des rechten Seitenschiffes führt eine Treppe zur Kapelle der heiligen Helena hinab. Sie soll über der Erde errichtet worden sein, die die Mutter des Kaisers vom Kavalerienberg mitbrachte. Weit bedeutsamer noch ist freilich die Reliquienkapelle im linken Seitenschiff von Santa Croce. Sie birgt, wie Kunst- und Reiseführer betonen, "einige der kostbarsten Reliquien der katholischen Kirche": drei Bruchstücke des heiligen Kreuzes, einen Teil jener so genannten Jesustafeln mit der Inschrift INRI, die Pontius Pilatus am Kreuz anbringen ließ, einen Kreuzesnagel, zwei Dornen aus der Dornenkrone Christi und schließlich den Finger des ungläubigen Thomas, der die Wundmale des Auferstandenen berührte.
Reliquien gelten als Glaubenszeugnisse, nicht als historische Dokumente. Gleichwohl gab und gibt es Versuche, vor allem mit der erwähnten Jesustafel die Kreuzigung zu beweisen. So hat unlängst der deutsche Historiker Michael Hesemann, ein gläubiger Katholik, in einem Buch (erschienen bei Herder, Freiburg) den Nachweis versucht, dass es sich da um die "echte" Kreuzestafel handelt, also um jene, die im Evangelium des Johannes beschrieben wird. Ein faszinierendes Kapitel Reliquien- und Kirchengeschichte.
Bernhard Hülsebusch
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 11.06.2000