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Bistum Erfurt

Der Einbruch des Wunderbaren

Johann Sebastian Bach

Erfurt (schr) - Warum besitzt die Musik Johann Sebastian Bachs gerade heute für die Menschen eine so gewaltige Anziehungskraft? Dieser Frage gingen Musikwissenschaftler und Theologen im Rahmen eines Podiumsgesprächs nach, zu dem das Katholische Forum im Land Thüringen am 14. Juni nur wenige Wochen vor dem 250. Todestag des großen Komponisten eingeladen hatte.

Zunächst waren sich alle Teilnehmer der von dem MDR-Jounalisten Claus-Peter Dylus moderierten Runde einig, dass Bach seine geistlichen Werke aus einer tiefen Religiosität heraus geschrieben hat. Unterschiedliche Ansätze kamen jedoch in der Frage der heutigen Rezeption zum Tragen: Ingeborg Stein, frühere Museumsdirektorin des Heinrich-Schütz-Hauses in Bad Köstritz, verwies auf die in Deutschland mit Schütz beginnende Tradition der musikdramatischen Umsetzung biblischer Texte, in die sich auch Johann Sebastian Bach einreihe. Dies spricht Menschen bis heute an.

Bachs heutige Bedeutung ist nicht ohne einen Rückblick auf in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende Bach-Renaissance zu verstehen, woran Felix Mendelssohn Bartholdy maßgeblich beteiligt war. In dieser Zeit wurde Bach in den Rang eines "Fünften Evangelisten" gehoben. Diese Wertschätzung der Musik lebt bis heute fort, auch wenn ihr kirchlicher Bezug häufig verloren gegangen ist, stellte der Erfurter Neutestamentler Claus-Peter März fest. Der Leiter des Bachhauses in Eisenach Claus Oefner kritisierte den mit der Bach-Renaissance häufig verbundenen gefühlsbetonten Zugang zur Musik, der ein analytisches Hören verhindere. Dem hielt der Erfurter Domorganist Silvius von Kessel entgegen, dass sich die Größe der bachschen Musik nicht nur in der Analyse, sondern gerade in ihren vielfältigen Bezügen auch zu den Glaubensthemen zeige. Dennoch waren sich die Gesprächspartner einig, dass in der bachschen Musik dem Hörer etwas Wunderbares (so Oefner), Transzendentes (so März) entgegentritt. In der geistlichen Musik, die untrennbar mit den biblischen Inhalten verbunden ist, kann sich der Mensch grundsätzlichen Fragen seiner Existenz stellen. Ob man diese Auseinandersetzung mit dem über diese Welt Hinausweisenden etwas abwertend Religionsersatz nennt, oder vielleicht eher von Sinnsuche und von Selbstfindung spricht, hängt letztlich vom eigenen Standpunkt ab, gab März zu bedenken.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 26 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 25.06.2000

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