Die Ordensfrau sprach über den Kampf gegen Lepra
Dr. Ruth Pfau in Leipzig
Heiligenstadt/ Leipzig (mt) - "Wir fahren mit dem Jeep in einem ausgetrockneten Flussbett, weil es keine Straßen gibt. Plötzlich hören wir Warn-Pfiffe von Ziegenhirten. Raus aus dem Flussbett! Dann kommt eine Sturzflut. Irgendwo in den Bergen hatte es geregnet." Dr. Ruth Pfau und ihr Team haben in Pakistan mehr als einmal ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um tausende Lepra-Patienten mit Medikamenten zu versorgen. Vier Jahrzehnte kämpfte die katholische Ordensfrau und ihr heute 480 Mitarbeiter zählendes Team gegen die heimtückische Krankheit.
"Wir haben die Lepra in Pakistan unter Kontrolle gebracht. Von 47 000 Lepra-Patienten sind 45 000 ausgeheilt", kann Ruth Pfau heute erleichtert sagen. Und sie sagt es an vielen Orten. Als Dank für die bisherige Unterstützung und als Ermunterung, die Hilfen nicht einzustellen. Derzeit reist die gebürtige Leipzigerin sechs Wochen lang durch Deutschland, berichtet in 60 Städten über ihr Lebenswerk und die neuen Projekte - so am 14. Juni in Heiligenstadt und am 16. Juni in Leipzig. Die Medizinerin sprach in der St. Bonifatius Kirche in Leipzig-Connewitz vor rund 200 Zuhörern. Und wenn das Auditorium streiflichtartig per Wort und Dia Einblicke in die Arbeit der heute 70-jährigen erhielt, so waren das gleichsam Zeugnisse des Wirkens einer Christin im muslimischen Pakistan.
In dem Lepra-Projekt fand Ruth Pfau ihre Verwirklichung christlichen Glaubens. "Eigentlich ist man natürlich niemals Christ - man versucht es zu sein", bekannte sie bescheiden. Religionsunterschiede spielten für sie offenbar nur eine untergeordnete Rolle. "Ganz wichtig ist das Team", betonte sie dagegen immer wieder. In der großen Gruppe der Mitarbeiter seien viele Religionen vertreten, mehrheitlich natürlich muslimische. "Da gab es nie Probleme. Wir haben zusammengehalten und etwas bewirkt". Sie selbst betrachte das als Geschenk. Doch Pakistan stellte die Ordensfrau auch vor schwere Prüfungen. "Den Umgang mit Leid musste ich lernen, weil ich sonst hätte heimgehen müssen. Ich wollte einerseits leidensfähig bleiben, andererseits aktionsfähig. Also fragte ich nach dem Leid immer nur dann, wenn in anderen Dingen Durchblick herrschte", beschrieb sie die Bewältigung dieses Konfliktes. Der Lepra-Bazillus gilt in Pakistan als besiegt. "Das ist schon viel, reicht aber nicht." Jetzt kümmern sich die von Ruth Pfau ausgebildeten Assistenten in der Aktion 2020 zunehmend um soziale Rechte der Menschen auf Kleidung, Nahrung, Wohnung, Arbeit. Diese Rechte umzusetzen, scheint nahezu aussichtslos in einem Land, das zweieinhalb mal so groß wie Deutschland ist, 140 Millionen Einwohner hat und sich diese Zahl innerhalb von 20 Jahren verdoppelt. In einem Land mit katastrophaler Infrastruktur, mit hoher Arbeitslosigkeit, mit Kinderarbeit, Slums und Wasserknappheit. All das kann Ruth Pfau nicht entmutigen. In bedrückenden Momenten, wenn "wir es richtig satt haben", hilft der Orden mit zwei einfachen Sätzen "Wir tun, was wir können. Mehr können wir nicht tun" und "Weitermachen ist unsinnig, aber Aufhören ist noch unsinniger. Also machen wir weiter."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.07.2000