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Aus der Region

Vergessene religiöse Kunst im Museumsdepot in Leipzig

Bildwerke der Gotik in schlechem Zustand

Eine rege Sammeltätigkeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert brachte zahlreiche religiöse Bildwerke aus der Zeit der Gotik in den Bestand des Leipziger Stadtmuseums. "Diese Sammlung aus Leipzig und dem Umland war zum Großteil vom Verein für die Geschichte Leipzigs zusammengetragen worden, dessen Bestände den Grundstock des 1909 gegründeten Museums bildeten", berichtet Ulrike Dura, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums. "Heute", so die Kunsthistorikerin, "bietet die Sammlung kirchlicher Kunst, ein ernüchterndes Bild." Viele der Stücke befinden sich in einem sehr desolaten Zustand und müssten eigentlich dringend renoviert werden. Mehr oder weniger überstanden sie den Zweiten Weltkrieg, aber nicht wenige Stücke hatten schon vor dieser Zeit eine Odyssee hinter sich. Allerdings sind diese Arbeiten - selbst die der Sicherung - sehr teuer und es ist schwer, Menschen oder Institutionen davon zu überzeugen, sich in diesem Anliegen zu engagieren. Zwar gibt es die Aktion, dass für bestimmte Stücke Patenschaften übernommen werden aber die Nachfrage für diesen Teil der Sammlung ist eher sehr gering. Dennoch, so ist sich Ulrike Dura sicher, kann der derzeitige Zustand so nicht bleiben. Es gibt Überlegungen, die kirchliche Kunst in einer Leipziger Kirche auszustellen. Im Gespräch sind die Lutherkirche und eine Kirche in Leipzig-Gohlis, beide werden von ihren evangelischen Gemeinden momentan nicht mehr gebraucht. Wie und unter welchen Voraussetzungen eine solche Ausstellung Realität werden kann ist derzeit noch offen. "Es wäre aber schön, wenn die Bildwerke in einen Raum kommen können, für den sie einst geschaffen wurden", betont Ulrike Dura. Dabei muss nicht alles perfekt sein und den Kunstwerken kann das angesehen werden, was sie im Laufe der Zeit erlitten haben. Beispielsweise haben moderne Bilderstürmer einer Madonna den Kopf abgeschlagen. Zudem würde sich die Kunsthistorikerin sehr freuen, wenn sich die Christen der Stadt bei der Erhaltung ihres Erbes gemeinsam engagieren könnten. Doch vielen ist das Vorhandensein und der Zustand der Sammlung unbekannt.

Ein besonders wertvolles und zugleich desolates Kunstwerk ist der Altar aus der Schloss-kirche in Lützschena. Zuletzt wurden in einem Beitrag von Ulrike Dura in den Leipziger Blättern Aufnahmen des Altares gezeigt. Zwar wies bereits 1896 Cornelius Gurlitt in seinem Verzeichnis der sächsischen Kunstdenkmäler auf das Bildwerk hin, seither geriet der Altar aber in Vergessenheit und wurde nie öffentlich gezeigt. Ulrike Dura: "Bereits im 19. Jahrhundert ist dieser Altar schwer beschädigt worden, teils aus Unkenntnis und Desinteresse." Nachdem die Kirche in Lützschena 1823 einen neuen Altar erhielt, hängten die damals Verantwortlichen den aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammenden holzgeschnitzten Altar einfach außen an ihrer Kirche auf. Bis 1855 war er dort Wind und Wetter ausgesetzt. Geborgen wurde er schließlich von der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Altertümer zu Leipzig. Sein Aufbewahrungsort war zunächst das Kunsthistorische Institut der Leipziger Universität, von dort aus wurde er 1947 an das Museum übertragen.

Ulrike Dura erklärt den Altar so: "Im Zentrum steht die Figur der gekrönten Maria mit dem Christuskind auf dem Arm. Links und rechts von ihr sind acht Heiligenfiguren angeordnet. Links Nikolaus, Katharina, Dorothea und Mauritius. Rechts Barbara, Wolfgang, Georg und Margarete. Die Flügelinnenseiten zeigen die zwölf Apostel, von denen nur einige eindeutig zu identifizieren sind, etwa Andreas mit dem Andreaskreuz, Petrus mit dem Schlüssel, Jakobus mit der Muschel am Hut, dem Erkennungszeichen der Pilger, die zu seiner Grabstätte in Santiago de Compostela in Spanien reisen. Die Malereien der Flügelaußenseiten zeigen Szenen aus dem Marienleben, links oben die Begegnung mit Elisabeth, rechts oben die Geburt Jesu im Stall, unten rechts ist folgt die Darstellung Jesu im Tempel und unten links der Tod Mariens im Beisein der Apostel."

Ulrike Dura hat die Hoffnung, dass bald eine für den Lützschenaer Altar und die gesamte Sammlung gerechte Lösung gefunden werden kann. Denn noch einmal müssen die vergessenen Kunstwerke ihren Platz im Depot wechseln, der Keller des Stadtgeschichtlichen Museums im alten Rathaus wird ausgebaut und einer gewerbsmäßigen Nutzung zugeführt. Vielleicht gibt es ja bald wirklich einen Ausstellungszweig, den Kirche, Bürger und Museum gleichermaßen tragen. Die Bildwerke aus Leipzig und dem Umland sind wichtige Zeugnisse der Kultur, das sowohl in kunsthistorischer wie in geistig-religiöser Hinsicht.

Info: Stadtgeschichtliches Museum, Altes Rathaus, Markt 1 in 04109 Leipzig, Telefon (03 41) 96 51 30

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 15 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.04.2001

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