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Aus der Region

Pfingstliches Sprachgewirr in Budapest

70.000 Jugendliche aus ganz Europa kamen zum Taize-Treffen

Budapest Budapest (kna / tdh) - Warum er hier ist? "Ich will etwas für meinen inneren Frieden tun! Und ich will viele spannende Leute kennen lernen." Der 27-jährige Dirk weiß genau, was er sich von dem 24. Europäischen Taize-Jugendtreffen in Budapest erwartet. Gerade erst ist er mit seiner Gruppe in der ungarischen Hauptstadt eingetroffen. Sie haben sich durchgefragt bis zur Schule, in der die Deutschen empfangen und auf ihre Unterkünfte verteilt werden: Gastfamilien und Gemeinschaftsquartiere in der ganzen Stadt. Dirk und seine Freunde schultern ihre Rucksäcke und greifen die Isomatten. Sie müssen sich beeilen, um rechtzeitig zum Eröffnungsgebet zu kommen.

Mit diesem Anliegen stehen sie nicht allein da. Die U-Bahn-Züge Richtung Messegelände sind hoffnungslos überfüllt. Unterwegs herrscht ein wahrhaft pfingstliches Sprachengewirr: hier ein paar Sätze Französisch, dort ein lauthals geführtes Gespräch auf Italienisch, von allen Seiten Polnisch und natürlich die Landessprache Ungarisch.

Rucksackpilger aus ganz Eu-ropa haben sich auf den Weg zu Frère Roger gemacht, dem Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé. 70 000 sind zum traditionellen Taizé-Jugendtreffen über Silvester gekommen, darunter auch mehrere Gruppen aus dem Osten Deutschlands. Ein Trend der vergangenen Jahre setzt sich dabei fort: Die große Mehrheit kommt aus Osteuropa.

An der Endhaltestelle strömen die in dicke Winterjacken gehüllten Jugendlichen aus der Bahn. Viele haben auf ihren Wollmützen das charakteristische Taizé-Kreuz aufgestickt. Jetzt noch ein strammer Marsch durch den Schneematsch, dann sind sie am Ziel.

In der Messehalle B ist die beißende Kälte schnell vergessen. Orangefarbene Stoffbahnen an der Stirnseite des riesigen Raumes, ikonenhafte Szenerien aus dem Leben Jesu und das Licht Hunderter brennender Kerzen verwandeln die kühle Betonhalle in einen gigantischen Gebetssaal. Auf dem Fußboden ist Platz für jeden. Schon erklingen die ersten Taizé-Lieder. Für Katrin liegt in dieser Musik - einer Mischung aus modernen Rhythmen, orthodoxer Sakralmusik und Gregorianik - "der ganze Geist von Taizé". Gemeinsam mit Tausenden anderen stimmt sie in das "Halleluja" ein.

Dann kommt Frère Roger. Zwei Brüder stützen den 86-Jährigen, zwei kleine Kinder ziehen mit ihm nach vorne. Obwohl die Menge weitersingt, ist es, als würden alle für einen Moment den Atem anhalten. "Er strahlt so viel Liebe aus", empfindet Katrin. Und: "Er hat sein Leben ganz den Jugendlichen gewidmet." Das spüren die jungen Christen instinktiv, dafür lieben sie ihn. Als er mit leiser Stimme ins Mikro spricht, hören sie gebannt zu. Wichtiger, als selbst verstanden zu werden, sei es, die anderen zu verstehen. "Liebe und sag es durch dein Leben", greift Frère Roger das Motto des diesjährigen Treffens auf. Dann spricht er über das Verzeihen-Können. Er erzählt von dem kleinen Jungen, dessen Vater die Familie verlassen hat und der ihm sagte: "Ich sehe meinen Papa nie, aber ich liebe ihn immer noch. Ich bete jeden Abend für ihn."

Fünf Tage lang beten auch die Jugendlichen mittags und abends zusammen. Dazu kommen die morgendlichen Gottesdienste in den Gastgemeinden. Ein Höhepunkt am Sonntag ist die ökumenische Gottesdienstfeier in der Sankt-Stephans-Basilika. Neben dem Stillwerden, dem Auftanken seelischer Energien finden die Teilnehmer vor allem das Gemeinschaftserlebnis wichtig. Olga aus Weißrussland schwärmt: "Hier erfahre ich in jeder Sekunde, dass ich mit meinem Glauben nicht allein bin." Der italienische Theologiestudent Paolo sagt es poetisch: "Das alles hier ist wie eine gelebte Fantasie Gottes."

"Wenn von Verzeihung die Rede ist, bezieht sich das selbstverständlich nicht nur auf den familiären Rahmen, sondern auch auf Beziehungen zwischen Völkern", betont der kanadische Taizé-Bruder Emile. Insofern seien Frère Rogers Meditationen durchaus politisch. "Aber wir wollen keine großen Worte machen, sondern durch unser Handeln, unsere Geisteshaltung Möglichkeiten vorleben."

Dass die Taizé-Treffen den Blickwinkel weiten, betont Inka. "Fast alles, was ich über Osteu-ropa weiß, habe ich auf den Jugendtreffen erfahren", so die Diplom-Pädagogin. Die Taizé-Jugendlichen seien viel weiter als die Europäische Union, die immer noch den Osten ausgrenzen wolle. Budapest als "Stadt, die Ost und West mit ihren Brücken verbindet", biete die ideale Kulisse, um gemeinsam darüber nachzudenken.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 2 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 09.01.2002

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