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Auf zwei Minuten

Wer Ohren hat der höre!

Pater Damian

Pater Damian MeyerEin Indianer und ein Weißer gingen durch die Straßen New Yorks. Mit einem Mal blieb der Indianer stehen und hob lauschend den Kopf. "Hörst du den feinen Ton? Das ist der Gesang einer Grille." - "Ich höre gar nichts", sagte der Weiße. "Nur den Krach der Autos und den Lärm der Straße." - "Doch, doch, ich höre es ganz deutlich!", sagte der lndianer. "Komm mal mit, ich zeige sie dir." Und er führte seinen Bekannten zu einer alten Mauer und zeigte ihm die Grille, die den Laut erzeugte. "Ja, toll", sagte der Weiße achselzuckend und ging weiter. Nach einiger Zeit ließ der lndianer mitten im dicksten Gewühl einen Silberdollar fallen. Der Weiße blieb sofort stehen und begann, eifrig nach dem Geldstück zu suchen, dessen hellen Klang er beim Aufschlag auf den Gehweg klar und deutlich vernommen hatte. "Wirklich erstaunlich, mein Freund", sagte der Indianer, als er seinen Dollar aufhob, "beim Klang des Geldes hast du sofort reagiert, aber für das Lied einer kleinen Grille fehlt dir das Gehör."

Uns ausländischen Missionaren in Taiwan wurde empfohlen: "Wenn Sie den taiwanesischen Dialekt noch nicht recht beherrschen und die Leute bei Ihrer Predigt einschlafen, wenden Sie folgenden Trick an: Nennen Sie einfach klar und deutlich verschiedene Geldbeträge, beispielsweise hundert Dollar, zweihundert Dollar, tausend Dollar, zehntausend Dollar, fünfzigtausend Dollar ... Und sie werden feststellen, wie schnell die Leute aufwachen und gespannt zuhören!"

Geht es uns nicht allen so, dass wir mehr oder weniger auswählen, was wir wirklich mit den Ohren aufnehmen wollen, also ein selektives Gehör entwic- keln? Viele Redensarten deuten auch darauf hin, beispielsweise die Ohren spitzen, die Ohren auf Durchzug halten, vor jemandem seine Ohren verschließen, jemandem ein geneigtes Ohr leihen, mit halbem Ohr hinhören, auf diesem Ohr schlecht hören, zum einen Ohr hinein-, zum anderen wieder hinausgehen ...

Hat unter all den Worten, den Botschaften und Informationen, die wir täglich aufnehmen, das Wort Gottes eine Chance, uns zu treffen? Aufmerksames Hinhören und Zuhören erfordert Konzentration. Jesus hat das auch gewusst: Man muss das Ohr auf das Hören einstellen. Mit einem gewissen Humor hat er das an verschiedenen Stellen der Evangelien überlieferte kleine scherzhafte Wort an die Leute gerichtet: "Wer Ohren hat zum Hören, der höre!"( Mk 4,9 ).

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 31 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 30.07.2000

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