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Aus der Region

...die Kirche im Dorf...

Ausstellung in Schönwölkau

Nicht korinthische Säulen und spätgotische Altarschreine, sondern die Menschen, die seit Jahrhunderten mit ihren Dorfkirchen leben stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung in der Patronatskirche Schönwölkau, wie zum Beispiel:

Das Battauner Dorflirchlein,
die Löbnitzer Dorfkirche,
die Delitzscher St.-Marien-Gemeinde oder
die Delitzscher Stadtkirche.

Termine und Öffnungszeiten

Die Ausstellung vom Kirchturm aus betrachtetWölkau - Wussten Sie, wozu man in der Kirche Krostitz 50 Kilo Quark brauchte, wieso man in Glesien auf den Baum der Erkenntnis klettern kann oder warum der katholische Pfarrer aus Delitzsch den größten Kleiderschrank hat? Steven, Josefine, Benjamin und Peggy aus Wölkau kennen die Antworten, seitdem sie einen grauen Sommerferiennachmittag lang in der Patronatskirche ihres Dorfes verbrachten. In den Mauern der dachlosen Kirche steht dort bis zum 10. September die Ausstellung "... die Kirche im Dorf... ". Acht Kirchen, vom kleinen Dorfkirchlein Battaune bis zur Stadtkirche St. Peter und Paul in Delitzsch haben die Journalistin Elke Fahr und der Fotograf Detlef Schwuchow mehr als ein halbes Jahr lang unter die Lupe genommen. Nicht nur in Kunstschätze und Jahreszahlen haben sie sich vertieft. Wichtiger noch waren ihnen die Menschen, die mit den Kirchen lebten und noch heute leben. "Was wären die Dörfer ohne ihre Kirchen, und was wären die Kirchen ohne ihre Menschen!", sagt Elke Fahr, die überrascht und fasziniert war von den zahlreichen Lebensgeschichten und Legenden, die sie bei ihren Kirchenbesuchen in Erfahrung gebracht hat.

Vor dem Battauner Dorfkirchlein beispielsweise traf sie die 78-jährige Elli Schulze, die lebhaft und detailreich von ihrer Konfirmation im Jahr 1936 erzählte. Die Kirchenbank, auf der sie damals saß, steht nun als sicht- und greifbares Requisit der Kirchengeschichte in der Wölkauer Ausstellung. Besucher können sich hier niederlassen und in Ruhe die Bilder der Battauner Kirche betrachten.

Wer unmittelbar vor die Fotowand tritt, schaltet dadurch über Bewegungsmelder einen Kassettenrekorder ein, und Elli Schulzes Stimme ist zu hören. Als die Kirche vor einigen Monaten gründlich restauriert wurde, war sie ungefragt zur Stelle. Sie putzte und schrubbte den Handwerkerkolonnen hinterher. "Die Kirche ist das Haus für uns, wo man Ruhe findet und still Andacht halten kann. Da ist mir schon sehr wichtig, dass das Haus gepflegt wird", sagt sie.


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Das ausrangierte Zifferblatt der Löbnitzer KircheZu hören ist auch Elke Fahrs Gespräch mit der Löbnitzer Schülerin Anne-Franziska Runck. Sie führt eine Familientradition weiter und zieht regelmäßig die Kirchturmuhr der Löbnitzer Dorfkirche auf. Das alte Zifferblatt der Turmuhr gehört ebenfalls zu den Exponaten der Ausstellung.

Als einziges katholisches Gotteshaus ist die Delitzscher St.-Marien-Kirche vertreten. Auf unterhaltsame Weise erfahren die Besucher eine Menge über katholisches Leben, angefangen beim Brauch des Sternsingens bis hin zu den liturgischen Farben und der Kleiderordnung in der katholischen Hierarchie. Die Schönstätter Marienschwestern bringen geistliche Berufungen und christliches soziales Engagement näher. Das Weihrauchfässchen, das in der Ausstellung zu sehen und anzufassen ist, zeugt von einer liturgischen Besonderheit, die katholische und evangelische Kirche unterscheidet.



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Einblicke in den Sakristeischrank der St.-Marien-Kirche DelitzschEine Kuriosität der Delitzscher Gemeinde wird den Besuchern nicht vorenthalten: Zur Büttenpredigt des Pfarrers Armin Kensbock liefert Organist Matthias Denef am letzten Sonntag vor Beginn der Fastenzeit seit einigen Jahren zünftige Tuschbegleitung auf der Orgel - eine Kostprobe ist zu hören.

Kurzweilig, aber keinesfalls oberflächlich sind die Kirchen-Informationen, die Elke Fahr und Detlef Schwuchow ans Tageslicht gerückt haben. "Wir sind offene, interessierte Atheisten. Unsere Sicht ist naturgemäß und ganz bewusst eine weltliche", sagen sie selbst.

Gespür für Spiritualität und Respekt vor dem geistlichen Ursprung des Ausstellungsortes beweisen die beiden insbesondere mit dem Kunstwerk, das sie in der Mitte der Patronatskirche installiert haben. Auf dem Sockel, der als einzig verbliebener Rest auf den früheren Taufstein verweist, liegt ein schlichtes, übermannshohes Holzkreuz, umgeben von Bruchsteinen des eingestürzten Teils der Wölkauer Kirche. Rundherum brennen Altarkerzen aus allen acht Kirchen, Räucherstäbchen verströmen Weihrauchduft.

Gottesdienste werden schon lange nicht mehr gefeiert in der Kirche aus dem 17. Jahrhundert, deren Gewölbe 1969 einstürzte und die heute Eigentum des Landkreises Delitzsch ist. Ein Förderverein versucht seit einigen Jahren, kulturelle Höhepunkte in der Patronatskirche zu etablieren. Unter anderem haben hier bereits einige Freiluftkonzerte stattgefunden. Die Ursprungs-Idee für die Ausstellung "... die Kirche im Dorf..." stammt von Landratsamt-Mitarbeiterin Elke Fromm: "Der Gedanke, das Thema Kirche aufzugreifen, lag zum Jubiläum 2000 Jahre Christentum nahe, und wir haben im Landkreis so viele schöne Kirchen."


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Kinder wurden vom Preisrätsel in die Kirche gelocktElke Fahr und Detlef Schwuchow, die den Zuschlag für die Umsetzung der Idee erhielten, entwickelten das Konzept weiter, in einer Arbeitsgruppe, der neben Elke Fromm auch vier Pfarrer angehörten. Die Gruppe wählte die acht Kirchen aus und hatte unter anderem den Gedanken, nicht nur Fotos zu zeigen, sondern die Ausstellungsbesucher mit allen Sinnen anzusprechen. Selbst der Geschmackssinn ist davon nicht ausgenommen. Wer sich über die Tradition des "Apfelbisses" informiert, mit der an der Delitzscher Stadtkirche alljährlich das traditionelle Peter-und-Pauls-Volksfest eröffnet wird, kann dazu in einen knackigen rotwangigen Apfel beißen. Ein Bauer sorgt als Sponsor dafür, dass während der Öffnungszeiten der Ausstellung die Apfelkiste immer gefüllt ist.

Elke Fromm ist begeistert von dem, was aus ihrer anfänglichen Idee geworden ist. Selbst über die vertraute Kirche ihres eigenen Heimatdorfes hat die Krostitzerin Einiges erfahren, was ihr nicht präsent war. Ins Schwärmen gerät sie insbesondere über die Fotos der Ausstellung: "Sie sind so künstlerisch geworden, einfach fantastisch!"

Das bisher durchweg positive Echo der Besucher, die unter anderem durch ein Preisrätsel mit Fragen zu allen acht Kirchen nach Wölkau gelockt werden, hat die Veranstalter bewogen, für die nächsten beiden Jahre Fortsetzungen ins Auge zu fassen. Insgesamt 24 der fast 100 vorhandenen Gotteshäuser und Gemeinden sollen interessierten Einwohnern und Touristen auf diese Weise vorgestellt werden.

Nach der Finissage am 10. September wird die komplette Schau für zwei Monate in der Eilenburger St.-Nikolai-Kirche aufgebaut. In der Ausstellung ist unter anderem zu erfahren, dass zu dieser Kirche der Dichter des Liedes "Nun danket alle Gott", Martin R../../inckart (1586 - 1649) gehörte. Mehrere Gemeinden, deren Kirchen vertreten sind, haben bereits Interesse angemeldet, ihren Teil der Präsentation zu kaufen und dauerhaft in ihrem Ort zu zeigen.

Dorothee Wanzek

Die Finissage der Ausstellung findet am 10. September um 10 Uhr in der Patronatskirche Schönwölkau (zwischen Leipzig und Bad Düben) statt, mit anschließender Busrundfahrt durch die acht Kirchen. Die Wölkauer Kirche ist samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen außerhalb der Öffnungszeiten sind nach Anmeldung möglich: Telefon (03 42 95) 79 20, (03 42 02) 6 98 41 oder (03 42 02) 6 98 03.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 32 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.08.2000

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