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Aus der Region

Kirche soll nicht in Fonds einzahlen

Zwangsarbeiterentschädigung

Heiligenstadt (ep) - Der Bischöfliche Kommissarius für das Eichsfeld, Propst Heinz-Josef Durstewitz, hat sich gegen eine Beteiligung der katholischen Kirche an der Finanzierung des Fonds für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern ausgesprochen. Stattdessen sei zur Wiedergutmachung begangenen Völkerunrechts das ganze Volk, also der Staat, gefordert, sagte Durs-tewitz auf Anfrage.

"Ich kann nicht akzeptieren, dass das nationalsozialistische Fehlverhalten nur einzelnen gesellschaftlichen Gruppen angelastet wird", so der Propst von Heiligenstadt, der auch Ordinariatsrat und Domkapitular des Bistums Erfurt ist. "Das fördert das Schwarz-Weiß-Denken nach dem Motto: Wir sind die Saubermänner. Die Nazis, die Wirtschaft, die Kirchen, ... die und die sind die Schuldigen". Gesellschaftliches Unheil beginne genau dort, "wo einer genau weiß, wer der Böse ist ..." Das gelte für extrem rechte genauso wie für extrem linke Kreise. Insofern sei die Methode, dass nur bestimmte Gruppen der Gesellschaft in einen Fonds einzahlen müssen, um das Geld für Entschädigungszahlungen aufzubringen, "total verfehlt". Im Übrigen würde auf Umwegen sowieso der einfache Bürger die Zeche zahlen, wenn etwa große Unternehmen für die Entschädigung Geld zur Verfügung stellten und dieses zum Beispiel durch Rationalisierungsmaßnahmen und Entlassungen wieder hereinholten.

Die Einrichtung des Fonds ist nach Auffassung des Bischöflichen Kommissarius das Ergebnis von "Erpressung, gegen die sich der Staat hätte zur Wehr setzen müssen". Hier sei vieles aus dem Bauch heraus entschieden worden. "Die Kirche darf sich darauf nicht widerspruchslos einlassen", zumal das Projekt vor allem amerikanischen Juristen dicke Honorare bringe.

Selbstverständlich müsse genau nachgeforscht werden, wo und inwiefern auch kirchlicherseits Zwangsarbeiter beschäftigt und wie gegebenenfalls mit ihnen umgegangen worden sei, so der Kommissarius weiter. "Die Fragestellung ist meines Erachtens bislang von der Wissenschaft nicht besonders aufgearbeitet worden." Bisherige Untersuchungen hätten mehr dem seelsorglichen Einsatz der Kirche für die Zwangsarbeiter gegolten, wo viel Gutes geleistet worden sei. So habe zum Beispiel der damalige Pfarrer von Birkenfelde, Arnold Motz, trotz der Gefahr, von den Nazis gemaßregelt zu werden, Polnisch gelernt, um sich besser seelsorglich um die polnischen Zwangsarbeiter kümmern zu können. Der Pfarrer von Wingerode, Josef Brodmann (^1969), sei eine Woche inhaftiert gewesen und verwarnt worden, weil er polnischen Zwangsarbeitern die Möglichkeit gewährte, an der heiligen Messe teilzunehmen, vor allem aber weil er mit ihnen gesprochen hatte. Beispiele aus anderen Diözesen seien der damalige Pfarrer von Wermsdorf, Hermann Scheipers, der ins KZ Dachau gekommen war, weil er sich auch um polnische Zwangsarbeiter gekümmert hatte, und der damalige Vikar von Bernburg und spätere Professor in Erfurt, Heinz Schürmann, der von der Gestapo verwarnt wurde, weil er an polnische Zwangsarbeiter Hefte zur Mitfeier des Gottesdienstes verteilt hatte.

Bei den bisherigen Recherchen hinsichtlich der Beschäftigung von Zwangsarbeitern in kirchlichen Einrichtungen des Eichsfeldes sei kein einziger Fall entdeckt worden. Sollte bekannt werden, dass Menschen durch Schuld der Institution Kirche ausgebeutet wurden, müssten sie für das erlittene Unrecht entschädigt werden, so der Propst. Erbrachte Leistungen müssten vergolten werden. Wiedergutmachung könne aber nicht über einen Fonds mit den Geldern einzelner Gruppen geschehen, wie es praktiziert werden solle.

Die Bischofskonferenz will am 28. August entscheiden, ob die katholische Kirche einen Beitrag in den Fonds zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter einzahlt. Die evangelische Kirche beteiligt sich mit zehn Millionen Mark an dem Fonds.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 33 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.08.2000

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