Psychisch Kranke aus Deutschland und Polen führen gemeinsames Krippenspiel auf
Probleme mit deutschem Zoll: Premiere drohte zu platzen - Zweites Theaterprojekt angedacht
Guben (kh) - Erstmals haben psychisch Kranke aus Guben und dem polnischen Brzeznicy sowie einige ihrer Betreuer gemeinsam Theater gespielt. Vor den rund 70 Zuschauern, die sich am 6. Januar trotz Eisglätte in der Gubener Marienkirche eingefunden hatten, zeigten sie ein Krippenspiel, genannt "Weihnachtsszenario".
Etwa die Hälfte der Laiendarsteller lebt oder arbeitet in der zum St.-Florian-Stift gehörenden Wohnstätte "St. Marien", die andere Hälfte in einer ähnlichen Einrichtung in Brzeznicy. Eingeübt hatten das Stück Diplomsozialpädagogin Yvonne Bickel auf deutscher, und Tomasz Mie-chowicz auf polnischer Seite.
Der Premiere war allerdings eine Zitterpartie vorausgegangen: Bis zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung war noch nicht klar, ob die Aufführung überhaupt würde stattfinden können. Schuld an dieser Unsicherheit waren Probleme mit dem deutschen Zoll: Die Beamten in Schlacksdorf ließen den mit Mikrofonen, Kabeln, Scheinwerfern, Stativen und weiterer Bühnentechnik beladenen Kleinbus zunächst nicht nach Deutschland einreisen - und das, obwohl der Gubener Wohnstättenleiter Thomas Winistädt den Zoll vorab über die geplante Theateraufführung informiert und eine Liste aller Geräte gefaxt hatte, die dafür aus dem rund 26 Kilometer entfernten Brzeznicy nach Guben gebracht werden sollten.
Als die Mitwirkenden aus Brzeznicy am Sonntagvormittag jedoch nach der polnischen Zollstelle, an der es übrigens keine Probleme gab, auch noch den deutschen Zoll passieren wollten, waren die Unterlagen zunächst nicht auffindbar, wie die polnische Gruppe später den Mitarbeitern der Gubener Wohnstätte berichtete. Dann hieß es, die Angaben seien nicht ausreichend. Für jedes Gerät sollten noch die Seriennummer sowie der von einer Spedition geschätzte Wert angegeben werden. Schließlich erklärte sich eine Spedition auf polnischer Seite zu einer Bürgschaft für die technische Ausrüstung bereit und der Kleinbus durfte nach mehreren Stunden Wartezeit nach Deutschland einreisen. Für das geplante gemeinsame Mittagessen aller Mitwirkenden war nun jedoch keine Zeit mehr.
Gunter Lange, der Leiter der Zollabfertigung, verteidigt das Vorgehen der Schlacksdorfer Beamten: "Meine Kollegen haben exakt gearbeitet. Ich habe denen nichts vorzuwerfen. Sie haben schon die einfachste Variante gewählt, die möglich war." Diese sei zwar nicht hundertprozentig exakt gewesen, dafür aber zum Vorteil der Beteiligten.
Martina Kosuch, die pädagogisch Verantwortliche der Wohnstätte "St. Marien", sieht die Sache etwas anders. Sie kann das Vorgehen des Zolls nicht verstehen: "Das war mehr Theater als unser Theater. Ich kann daraus nur schließen, dass man uns da ein Stück ärgern wollte."
Das Bühnenstück und seine Vorbereitung waren hingegen ein gelungenes Beispiel dafür, wie grenzüberschreitende Kontakte funktionieren können: Viermal hatten die 15 Mitwirkenden gemeinsam geprobt, einmal in Deutschland und dreimal in Polen. Für die Verständigung auf sprachlicher Ebene sorgte Betreuerin Eva Tilgner, die fließend polnisch spricht. Mariendarstellerin Kerstin Mende brauchte aber gar keine Worte, um sich mit Wladyslaw Grabowski, dem polnischen Darsteller des Josef, zu unterhalten. Wie die beiden dann miteinander sprachen? "Na so bloß", sagt Kerstin Mende und schiebt den Kopf nach vorne. "Ihr habt euch gedrückt", übersetzt Kosuch. Auch die Kulissen entstanden zum Teil in internationaler Zusammenarbeit: Aus Guben kamen die Farben und der Stoff für die drei Hintergrundbilder. In Brzeznicy wurden sie bemalt.
Das Stück selbst ist zweisprachig: Begleitend zum Geschehen auf der Bühne tragen vier Sprecher die zugehörigen Bibelstellen abwechselnd sowohl auf Deutsch als auch auf Polnisch vor. Und vielleicht soll auf dieses erste gemeinsame Theaterprojekt mit psychisch Kranken aus Guben und Brzeznicy schon bald ein zweites folgen. Angedacht ist es für die Festwoche zum 125-jährigen Bestehen des St.-Florian-Stiftes, die im Juni stattfinden wird. Auf jeden Fall gibt es das Weihnachtsszenario am 13. Januar noch zweimal in Polen zu sehen, und zwar um 14.30 Uhr im "Kino Wzeorze" in Krosno an der Oder sowie um 17 Uhr in Gronow.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 09.01.2002