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Liebstedt im Landkreis Weimar

Sommerserie/5

Das Rittergut LiebstedtDie Nische über dem Tor ist seit Jahrzehnten leer, doch die Muttergottes mit dem Jesuskind hat sich erhalten. Die verwitterte Figur wird heute im so genannten Kapitelsaal der Burg Liebstedt aufbewahrt. Marienfiguren sind Kennzeichen des Deutschen Ordens, der am 1. Oktober 1331 Liebstedt übernahm. Wie an der Marienburg - dem Hochmeistersitz in Ostpreußen - wurde sie in vielen anderen Ordensbauten mit in die Mauern eingefügt. Erst 1809 mit der Auflösung des Deutschen Ordens in den Staaten des Rheinbundes durch Napoleon endete die fast 500-jährige Ordensgeschichte in Liebstedt. Zwar besannen sich spätere Besitzer auf den Orden - beispielsweise bei der bis heute erhaltenen Gestaltung des Kapitelsaales aus der Zeit um 1870 - aber spätestens zu DDR-Zeiten war Schluss, der Deutsche Orden war Tabuthema und wurde nur benannt, um das "Aggressionsstreben" der Deutschen zu beweisen.

Wer heute aber Liebstedt - gelegen zwischen Apolda und Weimar - besucht, der wird sofort mit der Ordensgeschichte in Berührung gebracht. Schilder führen auf die noch weitestgehend unbekannte Burg hin, am Eingang hängen die Ordensfahnen: Ein schwarzes Kreuz auf weißem Grund ... Einige der Räume zugänglich, durch die die Besucher übrigens liebevoll geführt werden. Die Niederungsburg Liebstedt - einst wurde sie von einem dreifachen Graben und Wallsystem umgeben - stand direkt auf einer mittelalterlichen Fernstraße, daher hatte sie auch zwei Tore. Die Zolleinnahmen auf dieser Kupferstraße trugen zum Wohlstand der Besitzer bei, dazu kam, dass der Deutsche Orden Liebstedt zu einer Komturei umbaute, die den Wohlstand des Ordens mehren half. So war die Verwaltung des Gutes neben der Sicherung der Straße die Hauptaufgabe des Komturs. Dieses System verkam jedoch im Laufe der Zeit und die verwaltenden Brüder sicherten sich eher ihre privaten Pfründe. So wurde der Deutsche Orden allmählich zu einem Versorgungsinstitut des deutschen Adels, wie es Ullrich Gasser (OT) in seiner kleinen Schrift "Der Deutsche Orden einst und jetzt" schrieb.

Seine Ursprünge hat der Orden im Heiligen Land. 1189/1190 - während des dritten Kreuzzuges - gründeten Männer aus Bremen und Lübeck in Akkon ein provisorisches Hospital. Als sie das Land verlassen mussten, übergaben sie das Lazarett an Herzog Friedrich von Schwaben. Zwei seiner Gefährten - Kaplan Konrad und sein Kämmerer Burkhard - entsagten der Welt und sorgten fortan für die Kranken und Verwundeten. Ihre schnell wachsende Hospitalbruderschaft nannte sich: "Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem" - Jerusalem daher, weil sich die Brüder eine spätere Verlegung nach Jerusalem erhofften. Die päpstliche Anerkennung wurde 1191 erteilt. Um die Gemeinschaft und die zahlreichen Pilger auch nach dem Abzug der deutschen Fürsten zu schützen, erfolgte 1198 die Erhebung zum Ritterorden. Nach dessen päpstlicher Anerkennung wurde der Deutsche Orden - wie er in der Kurzfom fortan hieß - 1221 den anderen beiden großen Ritterorden, den Templern und den Johannitern gleichgestellt.

In den folgenden Jahren breitete sich die Gemeinschaft rasch aus - um das Jahr 1300 war die Zahl der Komtureien (auch Kommenden genannt) auf rund 300 gestiegen, dies nicht nur im Heiligen Land sondern in ganz Europa. In dieser Zeit hatte der Orden allein in Deutschland 13 Balleien, eine den Kommenden übergeordnete Verwaltungseinheit. Zu den zahlreichen Förderern gehörte unter anderem Landgraf Konrad von Thüringen, der Schwager der heiligen Elisabeth. 1232 übernahm er als Deutschmeister die Leitung der in Deutschland gelegenen Ordenshäuser. Zwei Jahre darauf - 1234 - schenkte er das von Elisabeth gegründete Marburger Hospital dem Orden. Die Heiligsprechung seiner Schwägerin erreichte Konrad 1235. Marburg selbst entwickelt sich in den folgenden Jahren zu einem der wichtigsten Ordenshäuser. Übrigens, Konrad leitet den Orden von 1239 bis 1240 als Hochmeister.

Zurück zu Liebstedt. Heute ist die Burg im Besitz der Landesentwicklungs-Gesellschaft Thüringen. Perspektivisch soll sie zu einer Bildungs- und Begegnungsstätte werden. Um dieses Ziel zu erreichen, gründete sich ein "Ordensburg Gilde"-Verein, der die Aktivitäten organisiert. Dabei soll die oft zwiespältige Ordensgeschichte nicht glorifiziert werden, sondern beides aufgezeigt werden: Licht und Schatten in einer langen Geschichte.

Weitere Orte zur Ordensgeschichte stellen wir in der nächsten Woche vor. Öffnungszeiten in Liebstedt: April bis Oktober, Dienstag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr und am Wochenende von 12 bis 17 Uhr.

Holger Jakobi

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 33 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.08.2000

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