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Zum 150. Todestag des Dichters Nikolaus Lenau

Zurückgeblättert

Der Dichter Nikolaus LenauBei kaum einem anderen deutschen Dichter waren Weltschmerz und Verzweiflung so stark Grund des Lebens und Schaffens wie bei Nikolaus Lenau. Er hat das Leiden der Natur, der Schöpfung wahrgenommen und es nicht nur als Gleichnis menschlichen Leidens verstanden. Gemeinsam mit den Menschen leide alles Geschaffene an der Vergänglichkeit. Die Frage nach dem Weiterleben der Persönlichkeit trieb den Dichter um. 1831 schrieb er in einem Brief, der Springbrunnen sei "vielleicht das beste Bild des Menschenlebens. Aus dem Meere der Gottheit steigt die Seele auf und fällt wieder darein zurück". Letzte Gewissheit aber gab es für Lenau nirgends.

1802 im heutigen Rumänien geboren verlor er früh seinen Vater und wuchs in Budapest auf. In Wien begann er 1819 Philosophie, Jura und Medizin zu studieren. Mehrmals wechselte er den Studienort und landete 1831 in Stuttgart, wo er sich mit den schwäbischen Dichtern Uhland, Kerner und Schwab anfreundete. 1832, vor Abschluss des Studiums, wanderte er nach Amerika aus, kehrte jedoch angeekelt von den "zum Himmel stinkenden Krämerseelen" bereits ein Jahr später wieder zurück. Ruhelos lebte er abwechselnd in Wien und Schwaben, im Salzkammergut und in Baden-Baden. Unglückliche Liebesverhältnisse zu einer Verwandten Gustav Schwabs und vor allem zu Sophie von Löwenthal, der Frau eines Freundes, zehrten an seiner Lebenskraft. Mit verzweifeltem Ungestüm verlobte er sich mit Marie Berends, die er erst kurze Zeit kannte. Die Begegnung mit ihr bezeichnete er als die "letzte Anfrage des Schicksals oder vielmehr Gottes" an sich selbst. Kurz vor der geplanten Hochzeit kam es in Folge einer Syphiliserkrankung zum geistigen Zusammenbruch. Am 22. Oktober 1844 wurde er in die Irrenanstalt Winnenthal bei Stuttgart eingeliefert. Später kam er nach Oberdöbling bei Wien, wo er am 22. August 1850 in geistiger Umnachtung starb.

Als Lenau den Satz von der "Anfrage Gottes" schrieb, hatte er längst radikal mit dem christlichen Glauben gebrochen. Bereits 1832 hatte er geschrieben: "Drüben in der katholischen Kirche ist Gottesdienst; Orgel und Gesang hör ich deutlich herüber; einst hab ich auch zur Orgel gesungen und gebetet. Die Tage meiner Jugend, wo sind sie?" Allerdings gibt es aus der Anstalt Winnenthal folgende Notiz: "Die Menschheit hat keine andere Bürgschaft, dass Gott sie liebe als den Tod Jesu. Alle anderen Beweise sind nichts." Die alte Frage nach den Beweisen für ein ewiges Leben, für einen Grund allen Seins taucht wieder auf.

Lenaus Dichtungen sind geprägt von der Romantik. Liebe und Natur sind seine Hauptthemen. Dabei hat er als erster deutschsprachiger Dichter die Schönheit der ungarischen Landschaft und ihrer Menschen besungen. Zweifellos sind die Gedichte der volkstümlichste Teil seines Werkes. Berühmt sind "Die drei Zigeuner" mit der bekannten Strophe.

Dreifach haben sie mir gezeigt,/ Wenn das Leben uns nachtet,/ Wie man's verraucht, verschläft, vergeigt/ Und es dreinmal verachtet.

In seinem Drama "Faust" (1835) lässt er den Helden im bewussten Gegensatz zu Goethe untergehen. Faust will nicht mehr Geschöpf sein; da er nicht Gott sein kann, bleibt ihm keine andere Möglichkeit. Das Vers-epos "Die Albigenser" (1842) gestaltet am Schicksal einer südfranzösischen Ketzerbewegung, wie der Glaube an Christus durch den Glauben an politische Freiheit ersetzt wird. Zwischen diesen beiden großen Werken steht das Gedicht "Savonarola" (1837) über den florentinischen Bußprediger und Kirchenreformer, in dem Lenaus Zweifel zwar ausgesprochen, aber noch besänftigt werden. Es endet mit den Versen:

Sein Herz empfing von ihm die Milde,/ Zu dem er sich hinübersehnt;/ Er blickt hinauf zum Christusbilde/ Und stirbt, das Haupt ans Kreuz gelehnt.

Jürgen Israel

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 34 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.08.2000

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