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Aktuelle gesellschaftliche Themen angesprochen

Bischof Müller lud zum Neujahrsempfang

Neujahrsempfang Görlitz (kh) - Anlässlich der gegenwärtigen Bioethik-Diskussion hat Bischof Rudolf Müller beim Neujahrsempfang, zu dem er am 5. Januar ins Görlitzer St.-Stephanus-Haus eingeladen hatte, mit Nachdruck auf die gottgegebene Würde des Menschen hingewiesen. Schon lange bevor sie Eingang in das Grundgesetz und die Menschenrechte gefunden habe, sei die Menschenwürde im christlichen Glauben grundgelegt gewesen und habe die abendländische Kultur geprägt, sagte Müller vor den rund 60 Vertretern aus Kirche, Politik und öffentlichem Leben.

"Ob Mann oder Frau, schwarz oder weiß, Christ oder Nichtchrist: Jeder und jede ist unwiderruflich von Gott gewollt", führte der Bischof aus. Dies sei auch der Kern der Weihnachtsbotschaft. Im Gegensatz zum "Wert" handle es sich bei der "Würde" nicht um einen Begriff aus der Ökonomie. Deshalb dürfe man sie auch nicht zu Markte tragen und darüber verhandeln. Müller wörtlich: "Sie ist nicht austauschbar oder verfügbar. Sie ist nicht an Bedingungen geknüpft, sondern gilt unbedingt. Sie schützt davor, dass der Mensch Mittel zum Zweck wird. Das ist unter seiner Würde." In diesem Zusammenhang wies der Bischof auch auf die Verantwortung und die Gefahren hin, die mit den neuen Möglichkeiten der Gentechnik verbunden sind.

Dompropst Peter C. Birkner ging auf die Anschläge vom 11. September ein: Danach sei viel zu wenig ins Bewusstsein gerufen, dass der Terrorismus die "extremistische Antwort auf Selbstherrlichkeit und Machtstreben, auf Ausbeutung und Ungerechtigkeit, auf Egoismus und Überheblichkeit" darstelle. "Schnell sind wir nach solch einer Erkenntnis dabei, den Zeigefinger auf andere zu richten", fuhr Birkner fort, "auf die ,Großen da oben', auf die Ideologen, auf die Wirtschaftsbosse oder die Gewaltigen der Medienwelt. Dabei merken wir gar nicht, dass wir die Vorwürfe, die wir an die Mächtigen der Welt richten, im verkleinerten Maßstab uns selbst gefallen lassen müssen."

"Wie ego-zentriert wir sind", habe sich unmissverständlich in den vergangenen Wochen gezeigt: "Kaum war der Schrecken über die Katastrophe von New York etwas überwunden, gab es in den Medien - und damit im täglichen Gespräch - nur noch ein Thema, den Euro", sagte Birkner. Von ihrer Top-Stellung in den stündlichen Nachrichten sei die neue Währung erst verdrängt worden, "als der Schnee unsere Bewegungsfreiheit einschränkte". Deutlicher als durch dieses Beispiel lasse sich kaum veranschaulichen, "mit welcher Selbstverständlichkeit alle Energie eingesetzt wird, um den Besitzstand zu verteidigen und eigene Interessen zu wahren". Birkner schloss diesen Gedanken ab mit der Frage: "Wenn jeder nur sich selbst sieht, jeder nur auf seinen Vorteil bedacht ist, wenn der Blick für den Nachbarn fehlt und das Herz zum Nächsten verschlossen bleibt, wie soll da Frieden geschaffen und gepflegt werden?"

Kritische Fragen richtete der Prälat auch in Bezug auf das deutsch-polnische Verhältnis an seine Zuhörer: "Warum nehmen wir so wenige Gelegenheiten wahr, um unseren Nachbarn zu begegnen, sie kennen zu lernen? Warum fahren wir nur nach Schlesien, um die alte Heimat wiederzusehen, anstatt an Gottesdiensten, Wallfahrten, Tagungen der Polen teilzunehmen? Warum fahren wir so wenig zum Marienwallfahrtsort Grüssau? Warum gibt es kaum Partnerschaften zwischen deutschen und polnischen Pfarrgemeinden?", listete Birkner gleich eine ganze Reihe von ungenutzten Kontaktmöglichkeiten auf.

Ein bevorstehendes grenzüberschreitendes Treffen kündigte der Bischof der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz, Klaus Wollenweber, an: Von 31. Mai bis 2. Juni soll in Görlitz ein Begegungskirchentag mit evangelischen Christen aus Polen, Tschechien, Deutschland und der Slowakei stattfinden. Mehr als 800 Teilnehmer hätten sich bereits angemeldet. "Wir brauchen Ihre Quartiere!", appellierte Wollenweber an die Zuhörer. "Haben Sie keine Angst, dass man einander nicht versteht, selbst wenn man die Sprache nicht kennt. In dieser Situation gibt es einfach das Pfingstereignis." Außerdem sei es ein "schönes Zeichen unserer ökumenischen Gemeinschaft", wenn auch katholische Christen Teilnehmer dieses Kirchentages bei sich aufnähmen.

Der Görlitzer Kulturbürgermeister Ulf Großmann erinnerte an zwei kirchliche Ereignisse, die im vergangenen Jahr in der Neißestadt stattgefunden hatten: die Einweihung des Caritas-Altenpflegeheims "Hildegard Burjan" und die Verleihung des Brückepreises an den Prager Kardinal Vlk.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 2 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 09.01.2002

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