Minderheiten wollen Normalität
Bautzen
Bautzen (jak) - Farbenfrohe Gewänder, Räucherstäbchen, Tänze und Gesänge prägten einen Gottesdienst, der am Fest der heiligen Klara - dem 11. August - im Klarissenkloster Bautzen gefeiert wurde. Die Teilnehmer eines Projektes zum Thema "Minderheiten und ihre Herausforderungen für die Konzepte der Mehrheiten" feierten zusammen mit den Schwestern und ihren Gästen diesen Tag. Das Projekt findet auf Initiative der Missionszentrale der Franziskaner statt. Es wird geleitet von Pater Davis Kalookaran aus Indien und von Mateffy Hajnalka, einer jungen Ungarin aus Rumänien, die derzeit an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialarbeit in Dresden studiert.
Pater Davis erklärt die Anliegen: "Wir wollen einfach verschiedene Menschen zusammenbringen, die zu den Minderheiten in ihren Ländern gehören. Sie sollen die Möglichkeit haben, über ihre Sorgen und Anliegen zu sprechen." Minderheiten, so Pater Davis weiter, sind auf der ganzen Welt mit Ausbeutung, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Vernichtung konfrontiert. Ihre Freiheit und emanzipatorischen Bewegungen sind eingeschränkt. Ihre Tradition, Kultur und Religion werden ausgehöhlt. Und immer wieder werden sie für die Missstände in der Gesellschaft verantwortlich gemacht. Und immer wieder zwingt die Mehrheit den Minderheiten ihre Interessen, Ideologien und Ideen auf. Das ist bis heute so bei den Adivasis, den Ureinwohnern Indiens, bei den Csangos, einem altungarischen Volk in der rumänischen Region Moldau sowie bei den Roma in Tschechien. Und es war so bei den Sorben in Deutschland. Vertreter dieser vier Völker nehmen am Projekt der Franziskaner teil, dessen Treffen über einen Zeitraum von zwei Jahren verteilt sind. Die Sorben sind für Mateffy Hajnalka und Pater Davis ein Beispiel dafür, dass die Spirale von Missachtung, Erniedrigung und Unterdrückung durchbrochen werden kann. So zeigt sich Mateffy Hajnalka beeindruckt von dem, was sie in und um Bautzen gesehen hat: "Mich hat es sehr beeindruckt, wie die Mehrheit hier mit der Minderheit umgeht." Zu den Besuchszielen der Gruppe gehörten unter anderem die Kindertagesstätte Radibor, das Haus der Sorben und das Bischof-Benno-Haus Schmochtitz.
In einem nächsten Schritt werden die Gruppen gemischt, eine geht nach Rumänien, eine nach Tschechien und eine bleibt in Bautzen. Ziel ist es, praktische Erfahrungen zu machen, selbst zu sehen, wie es dem anderen geht oder was möglich ist. In der dritten Woche geht es dann nach Wien, wo verschiedene Institutionen beheimatet sind, die sich mit Minderheitenproblemen befassen. Die Teilnehmer sollen dort ihren Standpunkt deutlich machen können, wie Mateffy Hajnalka berichtet. Weiter sollen in Wien die Erfahrungen aus den Gruppen besprochen werden. Eines aber steht jetzt schon fest, ein Teilnehmer artikulierte es so: "Die Gleichberechtigung der Minderheiten in der Gesellschaft hängt zum großen Teil von der Mehrheit ab, weil die Minderheit immer bereit ist, etwas an ihrer Situation zu ändern."
Ihre Freude über den gemeinsamen Gottesdienst und das gute Miteinander der Teilnehmer des Projektes brachte auch die Oberin der Klarissen, Schwester Assunta zum Ausdruck, sie bezeichnete den Tag als ein gutes Zeichen, gerade in einer Zeit, die sonst oft von Fremdenfeindlichkeit geprägt ist.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.08.2000